Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. sachlicher Zusammenhang. eigenwirtschaftliche Tätigkeit. Verrichten der Notdurft. Aufenthalt in den Toilettenanlagen. Ausrutschen auf nassem Fußboden. keine besondere Betriebsgefahr. keine Anwendbarkeit der beamtenrechtlichen Beurteilung bei Unfällen im Toilettenbereich

 

Orientierungssatz

1. Eine Beschäftigte, die innerhalb der Toilettenanlage (Schwelle zwischen dem Waschraum und dem Raum, in dem sich die WC-Kabinen befinden) auf nassem Boden ausrutschte, steht nicht gem § 8 Abs 1 S 1 SGB 7 unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, da der Unfallversicherungsschutz mit dem Durchschreiten der Toilettenaußentür endete.

2. Ein nasser Fußboden innerhalb einer Toilettenanlage stellt keine besondere Gefahrenquelle dar.

3. Die beamtenrechtliche Beurteilung von Unfällen im Toilettenbereich ist aus rechtssystematischen Gründen nicht auf das Recht der gesetzlichen Unfallversicherung anwendbar (vgl BVerwG vom 17.11.2016 - 2 C 17/16 = SGb 2017, 238).

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 06.08.2020; Aktenzeichen B 2 U 98/20 B)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob das Ereignis vom 08.09.2016 als Arbeitsunfall anzuerkennen ist.

Die 1987 geborene Klägerin war im streitigen Zeitpunkt im B. in S. als Verkäuferin beschäftigt. Am 08.09.2016 gegen 10:15 Uhr rutschte sie beim Betreten der Personaltoiletten auf nassem Boden aus und fiel auf die rechte Körperhälfte. Dabei zog sie sich eine Ellenbogenprellung, Handgelenksprellung, Schulterprellung, Rippenprellung und eine HWS- Distorsion zu (Bericht von Dr. M. vom 12.09.2016).

Die Klägerin gab auf Nachfrage der Beklagten zum Unfallhergang an, sie sei in die Toiletten gegangen und habe von weitem gesehen, dass der Boden noch nass war. Es sei kein Schild da gewesen. Sie sei reingelaufen und sei auf die rechte Seite gefallen (Unfallfragebogen vom 25.10.2016).

Der Arbeitgeber der Klägerin teilte auf Nachfrage der Beklagten mit, der Boden sei am Unfalltag gereinigt worden, wobei entsprechende Hinweisschilder aufgestellt gewesen seien.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 03.01.2017 eine Anerkennung des Unfalls vom 08.09.2016 als Arbeitsunfall ab. Bei dem genannten Ereignis handele es sich gemäß dem ermittelten Unfallhergang nicht um einen Arbeitsunfall, da die Klägerin zum Unfallzeitpunkt eine eigenwirtschaftliche und damit nicht versicherte Tätigkeit ausgeübt habe. Sie habe sich zum Unfallzeitpunkt in den Toilettenräumen zur Verrichtung der Notdurft befunden. Diese Tätigkeit sei nach ständiger Rechtsprechung dem privaten Bereich zuzuordnen und stehen nicht unter dem Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Auch eine besondere Gefahrensituation habe nicht bestanden, da der Arbeitgeber seinen Verkehrssicherungspflichten nachgekommen sei und nach der Reinigung des Bodens entsprechende Hinweisschilder aufgestellt gewesen seien.

Gegen den Bescheid legte die Klägerin am 10.01.2017 Widerspruch ein. Der Unfall habe sich nicht in der WC-Kabine, sondern auf dem Weg dorthin ereignet. Aufgrund des nassen Fußbodens habe durchaus eine Gefahrensituation bestanden. Es seien auch keine Hinweisschilder aufgestellt gewesen. Für das von den verschiedenen Unternehmen im B. beschäftigte Personal stünden gemeinsame Personaltoiletten zur Verfügung. Eine Toilettenanlage befinde sich auch im EG 1, wo die Klägerin beschäftigt sei. Sie sei gestürzt im Bereich der Schwelle zwischen dem Waschraum und demjenigen Raum, von welchem die WC-Kabinen zugänglich seien. Es handele sich somit um einen Wegeunfall. Nur wenn der Sturz sich in der WC-Kabine ereignet hätte, wäre von einem Sturz im privaten Bereich auszugehen. Insoweit werde auch auf die zum Beamtenrecht ergangene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.11.2016 (2 C 17.16) verwiesen. Die Klägerin legte eine Skizze der Örtlichkeiten vor.

Mit Schreiben vom 17.02.2017 wies die Beklagte darauf hin, dass sie der übersandten Skizze über die Örtlichkeiten entnehme, dass die Klägerin im Vorraum zu den Toiletten gestürzt sei. Nach ständiger Rechtsprechung ende der Versicherungsschutz regelmäßig mit Durchschreiten der Tür, die zu der WC-Anlage führe. Das heiße auch im Waschraum, wo sich Waschbecken, Spiegel und dergleichen befänden, hätte kein Versicherungsschutz bestanden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17.03.2017 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung verwies sie auf das Schreiben vom 17.02.2017.

Am 05.04.2017 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Stuttgart erhoben. Zur Begründung wiederholt sie im Wesentlichen ihren Vortrag im Widerspruchsverfahren.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 03.01.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.03.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das Ereignis vom 08.09.2016 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf die Ausführungen im...

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