Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Umzug eines Hilfebedürftigen. örtliche Zuständigkeit. ambulant betreute Wohnmöglichkeit iS des § 98 Abs 5 SGB 12

 

Orientierungssatz

Die örtliche Zuständigkeitsregelung in § 98 Abs 5 S 1 SGB 12 bezieht sich auf von freien Trägern organisierte ambulante Wohnmöglichkeiten und nicht auf eine Wohnung, die sich der Hilfesuchende selbst gesucht hat, und von der aus er selbst sich ambulante Hilfen organisiert (vgl LSG Celle-Bremen vom 21.6.2007 - L 13 SO 5/07 ER = FEVS 59, 86).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 25.08.2011; Aktenzeichen B 8 SO 7/10 R)

 

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die Seestadt Bremerhaven zuständiger Träger für Leistungen nach dem SGB XII für Frau M... S... ist.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 20.194,33 EUR für den Zeitraum 15. Oktober 2005 bis 28. Februar 2007 für Leistungen an Frau M... S... zu zahlen.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Zuständigkeit für Leistungen der Eingliederungshilfe gemäß dem Sechsten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) sowie die Erstattung bereits erbrachter Leistungen hierfür.

Der Kläger hatte für Frau M... S... (Hilfebedürftige) Eingliederungshilfe geleistet. Die Hilfebedürftige empfing Leistungen gemäß § 53 SGB XII infolge einer geistigen Behinderung. Der Kläger hatte zuletzt mit Bescheid vom 10. Mai 2005 die Kostenübernahme für eine Betreuung im Rahmen eines ambulant betreuten Wohnens gemäß § 93 Abs 2 BSHG/§ 75 SGB XII bewilligt. Die ambulante Betreuung wurde durch das Betreuungs- und Erholungswerk e.V. aus B... durchgeführt.

Zum 15. Oktober 2005 verzog die Hilfebedürftige aus dem Bereich des Klägers in den Bereich der Beklagten. Sie mietete selbstständig von einem privaten Vermieter eine Wohnung an. In dieser wurde sie zunächst weiterhin durch das Betreuungs- und Erholungswerk e.V. ambulant betreut. Eine Bezugnahme auf die ambulante Betreuung enthält der Mietvertrag nicht.

Mit Bescheid vom 26. April 2006 stellte der Kläger die Eingliederungshilfe an die Hilfebedürftige mangels örtlicher Zuständigkeit ein.

Die Hilfebedürftige erwirkte eine einstweilige Verfügung vor dem Verwaltungsgericht (VG) Bremen (Az: S 6 V 1312/06). Gemäß der einstweiligen Verfügung des VG Bremen vom 9. Juni 2006 wurde der Kläger verpflichtet, als erstrangig angegangener Träger gemäß § 43 SGB I vorläufig Leistungen der Eingliederungshilfe an die Hilfebedürftige zu leisten.

Am 3. Mai 2006 meldete der Kläger schriftsätzlich erstmals einen Anspruch auf Kostenerstattung bei der Beklagten an. Diese lehnte mit Schreiben vom 27. Juli 2006 eine Kostenerstattung mangels örtlicher Zuständigkeit ab. Bis einschließlich Februar 2007 sind von dem Kläger Leistungen der Eingliederungshilfe in Höhe von EUR 20.194,33 erbracht worden.

Mit Schriftsatz vom 8. Februar 2007 erhob der Kläger Klage zu dem Sozialgericht Stade.

Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte sei auf Grund der Zuständigkeitsregelung des § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII der zuständige Leistungsträger. Die Ausnahmebestimmung des § 98 Abs 5 SGB XII erfasse den vorliegenden Fall nicht.

Der Kläger beantragt,

1. die Feststellung, dass die Beklagte zuständiger Träger für Leistungen der Eingliederungshilfe an die Hilfebedürftige ist.

2. die Beklagte zur Zahlung von 20.194,33 EUR für Leistungen der Eingliederungshilfe im Zeitraum 15. Oktober 2005 bis 28. Februar 2007 zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, der Kläger sei auf Grund von § 98 Abs. 5 SGB XII weiterhin für Leistungen der Eingliederungshilfe an die Hilfebedürftige zuständig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakte verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung geworden sind.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist als kombinierte Leistungs- und Feststellungsklage zulässig. Die Zulässigkeit des Feststellungsantrages folgt aus § 55 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Sie ist auch begründet.

Der klägerische Erstattungsanspruch für Leistungen der Eingliederungshilfe gemäß § 53 SGB XII bis 28. Februar 2007 folgt aus § 102 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Nach dieser Vorschrift ist der zur Leistung verpflichtete Leistungsträger erstattungspflichtig, wenn ein Leistungsträger aufgrund gesetzlicher Vorschriften vorläufig Sozialleistungen erbracht hat.

Der Kläger hat an die Hilfebedürftige in Folge des Beschlusses des VG Bremen vom 9. Juni 2007 nach § 43 Abs 1 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) vorläufig Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII an die Hilfebedürftige erbracht.

Die Beklagte ist zur Leistung verpflichteter Leistungsträger. Ihre örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 98 Abs 1 Satz 1 SGB XII. Danach ist für die Sozialhilfe örtlich zuständig der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich sich die Leistungsberechtigten tatsächlich aufhalten. Dies ist vorliegend der Bereich der Beklagten...

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