Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilferecht: Ausflugsreise einer Tagesstättengruppe von behinderten Menschen als Eingliederungsleistung

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Gemeinschaftsreise einer Tagesstättengruppe von behinderten Menschen in einen Center-Park handelt es sich um eine Maßnahme, die zur Förderung von Begegnungen und des Umgangs mit nicht behinderten Menschen geeignet ist. Die Kosten der Teilnahme sind als Eingliederungshilfe zu übernehmen.

 

Orientierungssatz

Bei der Gemeinschaftsreise einer Tagesstättengruppe von behinderten Menschen in einen Center-Park handelt es sich um eine Maßnahme, die zur Förderung von Begegnungen und des Umgangs mit nicht behinderten Menschen geeignet ist. Die Kosten der Teilnahme sind deshalb als Eingliederungshilfe vom Sozialleistungsträger zu übernehmen. Dies gilt auch dann, wenn der Betroffene bereits Leistungen zur Betreuung in einer Tagesstättengruppe erhält, soweit er durch diese Leistung nicht schon die reale Möglichkeit hat, selbstständig oder jedenfalls unter Anleitung solche Art Kontakte zu knüpfen, wie sie für Gemeinschaftsreisen typisch sind, einschließlich Begegnungen, Gespräche und körperliche Kontakte mit anderen.

 

Tenor

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die dem Antragsteller bei Teilnahme an einer Gruppenfahrt in den CenterPark F. in der Zeit vom 11. Juli 2011 bis 15. Juli 2011 entstehenden Kosten in Höhe von 511,00 EUR zu übernehmen. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller seine notwendigen Kosten zu erstatten. Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt D. bewilligt.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung des Antragsgegners, die Kosten für eine mehrtägige Gruppenfahrt aus Mitteln der Eingliederungshilfe zu übernehmen.

Der am 24. April 1986 geborene Antragsteller leidet an einer geistigen Behinderung mit Hydrocephalus und autistischen Zügen. Er lebt im Bereich des Antragsgegners bei seinem Patenonkel und wird in der Tagesstätte der Lebenshilfe G. teilstationär betreut. Die Kosten der teilstationären Betreuung werden aus Mitteln der Eingliederungshilfe vom Antragsgegner getragen.

Mit Schreiben vom 19. Januar 2011 beantragte der Antragsteller die Kostenübernahme für eine geplante Gruppenfahrt seiner Tagesstättengruppe in den CenterPark F., die in der Zeit vom 11. Juli bis zum 15. Juli 2011 stattfinden soll. Vorgesehen sind dort für die aus sechs Mitglieder bestehende und von sechs Betreuungspersonen begleitete Reisegruppe ua ein Besuch des Freizeitparks, gemeinsames Kochen und Essen, Restaurantbesuche, Schwimmen, Spiel und Spaßscheune, Tretbootfahren. Die Gesamtkosten pro Teilnehmer belaufen sich auf 668,33 EUR; der vom Antragsgegner zu übernehmende Betrag beläuft sich unter Berücksichtigung eines Eigenbetrages iHv 157,33 EUR auf 511,00 EUR.

Mit Bescheid vom 18. Februar 2011 lehnte der Antragsgegner die beantragte Kostenübernahme ab. Zur Begründung führte er aus, die Teilnahme an einer Gruppenreise sei zur Eingliederung und zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft im Falle des Antragstellers nicht erforderlich, da er in keiner stationären Einrichtung, sondern im häuslichen Umfeld bei seinen Pateneltern lebe. Eine Integration in die Gesellschaft sei bereits dadurch gewährleistet. Zudem sei die Tagesstätte selbst darauf ausgerichtet, dass die behinderten Menschen zuverlässige und tragfähige Beziehungen zur Umwelt aufbauten.

Den hiergegen, mit Schreiben vom 22. Februar 2011 eingelegten Widerspruch wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 19. April 2011 zurück.

Am 17. Mai 2011 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Stade Klage erhoben und zugleich den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt. Nach seiner Auffassung handelt es sich beim CenterPark um eine Einrichtung, die der Geselligkeit, der Unterhaltung oder kulturellen Zwecken dient. Es komme nicht darauf an, ob und in welchem Umfang er bereits jetzt Umgang mit nicht behinderten Menschen habe. Unabhängig von den täglichen Möglichkeiten sei der Besuch eines CenterParks von den Hilfen zur Teilnahme am gemeinschaftlichen Leben umfasst. Er sei nicht in der Lage, die weiteren Kosten der Reise zu übernehmen. Nehme er hieran nicht teil, bestehe die große Gefahr gesundheitlicher Einschränkungen. Als Autist würde er die in der Leistungsablehnung begründete Zurücksetzung als extrem kränkend erleben und wäre in seiner derzeitigen stabilen Situation zurückgeworfen. Voraussichtlich würde auch das bestehende Vertrauen zur Tagesstätte und den Bezugsbetreuern verloren gehen.

Der Antragsgegner tritt dem Antrag entgegen und beantragt dessen Ablehnung. Nach seiner Auffassung führt bereits die Haushaltsgemeinschaft mit seiner nicht behinderten Patenfamilie dazu, dass der Antragsteller Kontakt zu nicht behinderten Menschen in erheblichem Umfange habe, der sich auch auf Besucher der Familie erstrecke. Darüber hinaus sei er bereits dadurch in die Gesellschaft eingegliedert, dass er die Leistungen der Eingliederungsh...

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