Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Honorarbescheid. Rücknahme. Zulässigkeit. Zweitbescheid. nachträgliche Vergütung. dreipolige Beziehung. aufschiebende Wirkung erst ab Bekanntgabe an Begünstigten

 

Orientierungssatz

1. Honorarbescheide im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung sind nach § 44 Abs 2 SGB 10 zu beurteilen, da sie keine Sozialleistungen betreffen (vgl BSG vom 22.10.1996 - 13 RJ 17/96 = BSGE 79, 177 = SozR 3-1200 § 44 Nr 23).

2. Zur Zulässigkeit von Zweitbescheiden.

3. Mit der Eigenart statusbegründender Verwaltungsakte im Vertragsarztrecht und der ihr innewohnenden Ordnungsfunktion wäre es nicht vereinbar, wenn das Verbot, eine durch Verwaltungsakt begründende Begünstigung während des Schwebezustandes der Drittanfechtung zu nutzen, dadurch unterlaufen werden könnte, dass trotzdem erbrachte Leistungen im Falle der späteren Zurückverweisung der Drittanfechtung nachträglich vergütet würden.

4. Es ist sachgerecht, in dreipoligen Beziehungen bei der Anfechtung eines begünstigenden Verwaltungsaktes durch einen Dritten die aufschiebende Wirkung erst ab deren Bekanntgabe an den Begünstigten wirken zu lassen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 11.03.2009; Aktenzeichen B 6 KA 15/08 R)

 

Tenor

1.

Der Bescheid der Beklagten vom 28. Juli 2005 in Gestalt des Bescheides vom 28. September 2005 wird geändert. Die Beklagte wird verpflichtet, die im Zeitraum vom 01. Januar 2002 bis zum 25. Januar 2002 von dem bei der Klägerin tätigen Arzt Dr. H erbrachten Leistungen zu vergüten.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 4/5 und die Beklagte zu 1/5.

3.

Der Streitwert wird auf 17.700 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt Honorar für die Zeit vom 01. Januar bis zum 27. Mai 2002.

Auf den Anfang November 2001 gestellten Antrag der Klägerin - einer Einrichtung nach § 311 Sozialgesetzbuch V (SGB V) - genehmigte ihr der Zulassungsausschuss durch Beschluss vom 19. Dezember 2001 mit Wirkung zum 01. Januar 2002, Dr. H als Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe einzustellen. Am 01. Januar 2002 nahm Dr. H dementsprechend seine Tätigkeit auf. Am 25. Januar 2002 erfuhr die Klägerin vom Berufungsausschuss, dass die Beklagte gegen die o. g. Entscheidung des Zulassungsausschusses mit Schreiben vom 18. Januar 2002, zugegangen am 20. Januar 2002, Widerspruch eingelegt habe. Unter dem 05. Februar 2002 beantragte die Klägerin beim Berufungsausschuss die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheides des Zulassungsausschusses vom 19. Dezember 2001. Mit Beschluss vom 26. Februar 2002 wies der Berufungsausschuss den Widerspruch der Beklagten zurück und lehnte zugleich den Antrag der Klägerin auf Anordnung der sofortigen Vollziehung ab.

Auf den diesbezüglichen Antrag der Klägerin ordnete das Sozialgericht Potsdam mit Beschluss vom 28. Mai 2002 (Az.: S 1 KA 07/02 ER) die sofortige Vollziehung der o. g. Genehmigung des Zulassungsausschusses an. Den unter dem Aktenzeichen S 1 KA 105/02 geführten Rechtsstreit, in dem sich die Beklagte gegen den Beschluss des Berufungsausschusses vom 26. Februar 2002 wandte, erklärte sie mit Schriftsatz vom 21. April 2004 im Hinblick auf eine zum 01. Januar 2004 eingetretene Gesetzesänderung für erledigt.

Die Honorarbescheide der Beklagten vom 30. Juli 2002 (für das Quartal I/02) und vom 21. Oktober 2002 (für das Quartal II/02) griff die Klägerin nicht an. In beiden Bescheiden lehnte die Beklagte die Vergütung von Behandlungsfällen und Leistungen, die vor dem 28. Mai 2002 erbracht wurden, ab. Den Antrag der Klägerin, die Vergütbarkeit/Vergütung von Leistungen einstweilen anzuordnen, die Dr. H in der Zeit vom 01. Januar bis zum 27. Mai 2005 erbracht hatte, lehnte das Sozialgericht Potsdam mit Beschluss vom 22. Oktober 2002 (Az.: S 1 KA 227/02 ER) ab. Die hiergegen gerichtete Beschwerde wies das Landessozialgericht mit Beschluss vom 08. September 2003 (Az.: L 5 KA 120/02 KA ER) zurück.

Mit Schreiben vom 09. März 2005 hat die Klägerin die Beklagte, die noch ausstehende Vergütung für 1670 Behandlungsfälle zwischen dem 01. Januar und dem 27. Mai 2002 vorzunehmen. Dies lehnte die Beklagte mit dem das Quartal I/05 betreffenden Honorarbescheid vom 28. Juli 2005 "wiederum" ab, da die Leistungen ohne wirksame Genehmigung erbracht worden seien. Auf den hiergegen gerichteten Widerspruch reagierte die Beklagte mit dem Bescheid vom 28. September 2005, in dem sie den Antrag auf Nachvergütung für 590 Behandlungsfälle für die Zeit vom 01. Januar bis zum 27. Mai 2002 zurückwies. Am 28. Oktober 2005 legte die Klägerin hiergegen erneut Widerspruch ein, erhob jedoch zugleich Klage.

Die Klägerin ist der Auffassung, durch die Erledigungserklärungen im Rechtsstreit S 1 KA 105/02 sei anerkannt, dass die Einstellung von Dr. H zu Recht erfolgt sei. Ab dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Genehmigung sei es Dr. H rechtlich möglich gewesen, Leistungen zu erbringen und diese gegenüber der Beklagten abzurechnen. Wäre die Ansicht der Beklagten richtig, hätte sie...

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