Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhausbehandlung. Prüfungen der ordnungsgemäßen Abrechnung. Anspruch auf Aufwandspauschale. Unerheblichkeit der Fehlerverursachung durch das Krankenhaus

 

Leitsatz (amtlich)

1. Prüfungen der ordnungsgemäßen Abrechnung einschließlich der richtigen Kodierung fallen unter § 275 Abs 1 Nr 1 Alt 2 SGB V.

2. Für einen Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale steht es unerheblich, ob das Krankenhaus die Prüfung durch Fehler in der Abrechnung verursacht hat.

 

Orientierungssatz

Zu Leitsatz 1 und 2 Abweichung von BSG vom 1.7.2014 - B 1 KR 29/13 R = BSGE 116, 165 = SozR 4-2500 § 301 Nr 4 und BSG vom 22.6.2010 - B 1 KR 1/10 R = BSGE 106, 214 = SozR 4-2500 § 275 Nr 3.

 

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 300 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 31. Januar 2015 zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Zahlung einer Aufwandspauschale.

Im Zeitraum 21. Juli bis 18. August 2014 wurde in einer Klinik der Klägerin eine bei der Beklagten versicherte Patientin (Frau B.) behandelt. Die Kosten stellte die Klägerin der Beklagten unter dem 21. August 2014 in Rechnung. Die Beklagte zeigte der Klägerin eine Prüfung durch den MDK zwecks Überprüfung eines OPS-Schlüssels an. Der MDK forderte weitere Unterlagen von der Klägerin an. In seinem Gutachten vom 15. Januar 2015 bestätigte der MDK die Kodierung. Mit Rechnung vom 26. Januar 2015 machte die Klägerin eine Aufwandspauschale in Höhe von 300 EUR geltend. Die Beklagte verweigerte unter dem 30. Januar 2015 die Zahlung. Es habe sich um eine Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit gehandelt. Nach der Rechtsprechung des BSG sei hierfür eine Aufwandspauschale nicht zu entrichten.

Die Klägerin hat am 6. März 2015 Klage erhoben.

Sie meint, dass die Rechtsprechung des BSG nicht überzeuge und weder mit dem Wortlaut noch der Entstehungsgeschichte der Vorschrift vereinbar sei.

Sie beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 300 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 31. Januar 2015 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verteidigt die Auffassung des BSG. Insbesondere meint sie, dass es sich nicht um eine Prüfung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V handele, weil die Prüfung nicht wegen der Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder aufgrund des Krankheitsverlauf durchgeführt werde. Vielmehr erfolge die Prüfung, “weil Anhaltspunkte vorliegen um ausschließlich die Einhaltung von Abrechnungsvorschriften sicherstellen zu wollen.„

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis in eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten mit dieser Vorgehensweise einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 SGG), wobei die Erklärung der Beklagten in diesem Sinne ausgelegt wird, weil eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid nie angekündigt worden war.

Die Klage ist zulässig. Das Schlichtungsverfahren ist nicht einschlägig, weil es nur die Ansprüche aus den geprüften Rechnungen selbst betrifft, nicht aber Sekundäransprüche wie die Aufwandspauschale (§ 17c Abs. 4 S. 1 SGB V).

Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 300 EUR nach § 275 Abs. 1c SGB V, weil die Beklagte eine Prüfung nach § 275 Abs. 1 SGB V hat durchführen lassen (1.), eine Minderung des Abrechnungsbetrages sich nicht ergab (2.) und der Klägerin ein Aufwand entstand (3.). Auf eine Veranlassung durch die Klägerin kam es nicht an (4.). Die Nebenforderung ist ebenfalls begründet (5.):

1.

Vorliegend handelte es sich um eine Prüfung nach § 275 Abs. 1 SGB V. Die Beklagte hielt dies für erforderlich (a.) und war deswegen verpflichtet, bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung (b.) eine gutachterliche Stellungnahme des MDK einzuholen.

a.

Die Erforderlichkeit, ein Gutachten einzuholen, war von der Kammer nicht mehr zu prüfen. § 275 Abs. 1 räumt der Krankenkasse einen Beurteilungsspielraum für die Entscheidung ein, ein Gutachten einzuholen (Hess, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht

86. Ergänzungslieferung Juni 2015, § 275 Rn. 3; Beyer, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 275 SGB V, Rn. 11, Sichert, in: Becker/Kingreen, SGB V 4. Auflage, § 275, Rn. 3, 5). Dabei sind die Kriterien Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder Krankheitsverlauf nicht die Begutachtungsanlässe, sondern umreißen Gegenstand und Maßgaben für die Begutachtung (Sichert, in: Becker/Kingreen, SGB V 4. Auflage, § 275, Rn. 5). Ansätze für einen Beurteilungsfehler sind nicht erkennbar.

Selbst wenn man die Kriterien der Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung als Begutachtungsanlässe verstehen würde, ergäbe sich keine andere Beurteilung. Vor der Einführung des Fallp...

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