Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Apotheke. Abgabe eines Importarzneimittels. Verstoß gegen das Substitutionsverbot. kein Vergütungsanspruch. Verfassungsmäßigkeit des § 129 Abs 1 S 7 SGB 5

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Verstoß des Apothekers gegen das Substitutionsverbot bei der Abgabe des Importarzneimittels schließt jeglichen Vergütungsanspruch für die Abgabe des Arzneimittels aus.

2. Es ist unerheblich, ob bei der erfolgten Absetzung der Gesamtsumme der Verordnung gem § 17 Abs 1 S 6 Arzneilieferungsvertrag (ALV) das Verordnungsblatt im Original vorgelegt wurde. Dies stellt lediglich eine - im Übrigen nachholbare - Formalie dar, die für das Entstehen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs der Krankenkasse gegen den Apotheker ohne Bedeutung ist (Anschluss an LSG Celle-Bremen vom 28.11.2017 - L 4 KR 104/15).

 

Orientierungssatz

Die Vorschrift des § 129 Abs 1 S 7 SGB 5 verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Der Streitwert wird auf 6224,82 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Retaxierung von Arzneimittelvergütungen durch Aufrechnung im Monat August 2015 sowie den Apothekenrabatt nach § 130 SGB V für August 2015.

Der klagende Inhaber einer öffentlichen Apotheke ist Mitglied im Landesapothekerverband Niedersachsen e.V. Der Kläger gab am 22.07.14 Arzneimittel an Versicherte der beklagten Krankenkasse (KK) nach Vorlage von 3 ausgestellten vertragsärztlichen Rezepten ab. Er stellte am 22. Juli 2014 hierfür der Beklagten 5210,17 über das von ihm einbezogene Rechenzentrum in Rechnung. Die Beklagte beglich die Rechnung umgehend. Sodann beanstandete sie am 10.05.2015 die Abrechnung gegenüber dem Kläger und setzte zunächst eine Summe von 4925,05 € ab. Dem lagen insgesamt drei Absetzung zugrunde, die aufsummiert wurden. Es wurden jeweils 5,48 € von zwei weiteren Rezepten abgesetzt. Es verblieb somit ein Betrag in Höhe von 4914,09 €, der auf das dritte hier streitgegenständliche Rezept entfiel. Die Gesamtsumme der Verordnung wurde mit 5210,17 € ausgewiesen. Von diesem Betrag zog die Beklagte 1,80 € ab, was zum damaligen Zeitpunkt dem Apothekenabschlag nach §130 SGB V entsprach. Sodann ergibt sich ein Betrag in Höhe von 5208,37 €. Von diesem zog der Beklagte nochmals den Herstellerabschlag des pharmazeutischen Unternehmers nach § 130a Absatz 1 Satz 1 SGB V in Höhe von 284,28 € ab, so dass sich ein Betrag von 4925,05 € ergab.

Den hiergegen gerichteten Einspruch des Klägers wies die Beklagte mit Schreiben vom 30.06.15 unter Hinweis darauf zurück, dass zum Zeitpunkt der Abgabe (Image-Ausdruck vom 30.07.14) das Arzneimittel Enbrel 50mg von der Firma Pfizer als rabattgünstigstes Arzneimittel ausgewiesen gewesen sei. Nach § 129 Abs. 1 SGB V in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Satz 3 des Rahmenvertrages sei der Kläger zur Abgabe des rabattgünstigsten Arzneimittels verpflichtet gewesen. Bei Verletzung dieser Abgabebestimmung komme nach der Rechtsprechung des BSG (B 3 KR 7/05 R) kein Kaufvertrag zustande. Softwarefehler innerhalb der Apotheke könnten nicht von der Versichertengemeinschaft übernommen werden.

Die Beklagte rechnete in der Folge im Monat August 2015 mit dem hieraus entstandenen Rückforderungsanspruch gegenüber einem Erstattungsanspruch des Klägers in Höhe von 4925,05,05 € auf. Eine Übersendung des Originalrezepts an den Kläger erfolgte nicht, auch nicht während des Beanstandungsverfahrens. Die Abrechnung des Klägers für den Monat Oktober 2015 ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

Am 20.5.2016 hat der Kläger vor dem Sozialgericht (SG) Oldenburg Klage erhoben. Es werde bestritten, dass bei der Abgabe der streitgegenständlichen Arzneimittel vertragliche oder gesetzliche Abgabenvorschriften verletzt worden seien. Die Beklagte habe die Vorgaben des Beanstandungsverfahrens gemäß § 17 des Arzneimittelversorgungsvertrages nicht eingehalten. Dort sei im ersten Absatz geregelt worden, dass bei Absetzung der Gesamtsumme der Verordnung, dass Verordnungsblatt im Original beizufügen sei. Danach hätte die Beklagte zum Zeitpunkt der Beanstandung, jedenfalls aber spätestens im Zusammenhang mit der erfolgten Absetzung im Oktober 2015, das Originalrezept an den Kläger herausgeben müssen, was nicht geschehen sei. Bei dieser Vorgabe handele es sich um eine zwischen den Vertragsparteien ausgehandelte Bedingung der Zulässigkeit von Absetzungen für das vertraglich geregelte Beanstandungsverfahren. Die Einhaltung der formalvertraglichen Voraussetzungen für das Beanstandungsverfahren sei zwingend. Ein Verstoß hiergegen führe zum Ausschluss der Beanstandung. Es habe daher an einer Aufrechnungslage gefehlt, weshalb die Aufrechnung unwirksam sei. § 17 Abs. 1 und 6 ALV gelte nicht nur für das Beanstandungsverfahren, sondern auch für die Absetzung nach Durchführung des Beanstandungsverfahrens. Es sei unerheblich, was der Kläger mit der Rückgabe des Originalrezepts bezwecken möchte. Zudem sei über die Softwar...

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