Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgeldanspruch. vorübergehender Ferienaufenthalt der im Ausland lebenden nichterwerbsfähigen Kinder bei den leistungsberechtigten Eltern in Deutschland. fehlender gewöhnlicher Aufenthalt im Inland. verfassungskonforme Auslegung

 

Orientierungssatz

Auch ein Sozialgeldanspruch nichterwerbsfähiger Hilfebedürftiger bedingt einen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland nach § 7 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB 2 iVm § 30 SGB 1.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 28.10.2014; Aktenzeichen B 14 AS 65/13 R)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerinnen begehren Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem 2. Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Die Klägerin zu 1),O. A. und die Klägerin zu 2), N. A., sind die Töchter des A. A. und der H. C. Die Mutter der Klägerinnen ist tunesische, der Vater der Klägerinnen und die Klägerinnen selbst sind deutsche Staatsangehörige. Die Klägerinnen leben bei ihrer Großmutter in Tunesien und gehen dort zur Schule, halten sich regelmäßig während der tunesischen Sommerferien von Ende Juni/Anfang Juli bis ca. Oktober bei ihren Eltern in Deutschland auf. In dieser Zeit leben sie in der Wohnung der Eltern, die regelmäßig laufende Leistungen nach dem SGB II von der Beklagten beziehen.

Anfang Juli 2011 reisten die Klägerinnen aus Tunesien nach Deutschland ein, wo sie bis zum Ende der tunesischen Sommerferien zu bleiben beabsichtigten. Die Eltern der Klägerinnen reichten am 04.07.2011 die Flugtickets der Klägerinnen bei der Beklagten ein, was diese als Antrag auf Leistungen nach dem SGB II für die Klägerinnen wertete, den sie mit Bescheid vom 06.07.2011 ablehnte. Zur Begründung führte sie aus, die Klägerinnen hätten ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in der Bundesrepublik Deutschland, so dass die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 4 SGB II nicht vorlägen. Der Aufenthalt sei von vornherein auf die Zeit der tunesischen Ferien begrenzt, bereits jetzt stehe fest, dass die Klägerinnen nach Tunesien zurückkehren und dort weiter zur Schule gehen würden.

Hiergegen erhoben die Klägerinnen mit Schreiben vom 13.07.2011 Widerspruch. Zur Begründung trugen sie vor, sie hätten in den vergangenen Jahren für den Sommeraufenthalt Leistungen erhalten. Die Eltern der Klägerinnen bildeten mit diesen eine temporäre Bedarfsgemeinschaft, zudem sei zu berücksichtigen, dass die Klägerinnen aus gesundheitlichen Gründen in Tunesien leben sollten und darüber hinaus der Sommeraufenthalt jeweils mehrere Monate dauere und nicht lediglich ein Kurzaufenthalt von wenigen Tagen oder Wochen sei.

Am 12.08.2011 haben die Klägerinnen mit Hinblick auf diese Entscheidung den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt, das Verfahren wurde unter dem Aktenzeichen S 10 AS 627/11 ER bzw. L 7 AS 1704/11 B ER geführt.

Mit Bescheid vom 02.01.2012 lehnte die Beklagte zudem den Antrag der Klägerinnen auf Leistungen nach § 28 Abs. 3 SGB II vom 22.08.2011 ab. Zur Begründung führte sie wiederum aus, es fehle am gewöhnlichen Aufenthalt der Klägerinnen in der Bundesrepublik Deutschland.

Am 11.06.2012 hat die Beklagte die Widersprüche gegen die Bescheide vom 06.07.2011 und vom 02.01.2012 zurückgewiesen.

Hiergegen haben die Klägerinnen Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren aus dem Verwaltungsverfahren weiter verfolgen. Zur Begründung tragen sie vor, die Klägerinnen besuchten eine Schule in Tunesien und hielten sich nur während der langen Sommerferien bei ihren Eltern in Deutschland auf, im Jahr 2011 vom 01.07.2011 bis zum 30.09.3011, ferner sofern finanziell möglich, während des restlichen Jahres während kürzerer Schulferien. Vor 2010 hätte die Beklagte Leistungen für die Sommeraufenthalte bewilligt.

Die Klägerinnen beantragen schriftsätzlich sinngemäß,

die Beklagte zu verpflichten, ihnen unter Aufhebung ihres Bescheides vom 06.07.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11.06.2012 Leistungen nach §§ 20, 23 Nr. 1 SGB II für die Zeit ihres Aufenthalts in Deutschland vom 01.07.2011 bis zum 30.09.2011 zu bewilligen sowie die Beklagte zu verpflichten, ihnen unter Aufhebung ihres Bescheides vom 02.01.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11.06.2012 Leistungen nach § 28 Abs. 3 SGB II zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtenen Entscheidungen.

Das Gericht hat die Verwaltungsvorgänge der Beklagten beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Dieser ist Gegenstand der Beratung gewesen.

 

Entscheidungsgründe

Das Gericht konnte mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerinnen werden durch die Bescheide vom 06.07.2011 und vom 02.01.2012, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.06.2012, nicht beschwert, denn diese sind nicht rechtswidrig (§ 54 Abs. 2 SGG). Die Klägerinnen haben keinen Anspruch auf Leistun...

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