Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachzahlung von Leistungen nach dem AsylbLG

 

Orientierungssatz

1. Die nach § 44 SGB 10 nachträglich zu erbringende Leistung soll unter Berücksichtigung des Gegenwärtigkeits- bzw. Aktualitätsgrundsatzes des AsylbLG keine Entschädigungsleistung darstellen, sondern der Deckung des aus der Vergangenheit noch vorhandenen Bedarfs bzw. des Surrogats dieses Bedarfs dienen. Ausgehend von dieser Überlegung besteht trotz der pauschalierten Regelsatzleistungen kein Anspruch auf Nachzahlung der vollen Differenz zwischen dem Wert der nach § 3 AsylbLG und gegebenenfalls weiteren zum Lebensunterhalt gewährten Leistungen zu den Regelsatzleistungen nach dem SGB 12.

2. Die Summe der rückwirkend zu gewährenden Nachzahlung isst der Höhe nach auf einen Maximalbetrag von 750,- € pro Hilfesuchendem zu beschränken.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin sind nicht erstattungsfähig.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten in diesem Verfahren um die Gewährung von Leistungen entsprechend den Regelungen des SGB XII für die Zeit vom 01.01.2005 bis zum 28.02.2009.

Die am 00.00.1943 geborene Klägerin stammt aus dem Kosovo. Sie ist Roma. Die Klägerin reiste am 25.08.1999 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte die Erteilung einer Duldung. Seither wird die Klägerin ausländerrechtlich geduldet.

Die Klägerin lebt seit ihrer Einreise in die Bundesrepublik in Haushaltsgemeinschaft mit mindestens einem ihrer Söhne, seit geraumer Zeit auch mit der Lebensgefährtin eines Sohnes und ihren Enkeln. Die Beklagte gewährte der Klägerin seit ihrer Einreise bis zum 30.11.2007 Leistungen gem. § 3 AsylbLG für einen Haushaltsvorstand. Seit Dezember 2007 bis einschließlich April 2008 gewährte sie ihr Leistungen gem. § 3 AsylbLG für einen erwachsenen Haushaltsangehörigen. Seit Mai 2008 gewährte die Beklagte der Klägerin wieder Leistungen gem. § 3 AsylbLG für einen Haushaltsvorstand. Vor dem hier streitbefangenen Zeitraum entschied die Beklagten zuletzt durch Bescheid vom 22.12.2008 über die Hilfeleistungen an die Klägerin für Januar 2009.

Mit Schreiben vom 06.03.2009 beantragte die Klägerin bei der Beklagten, ihr ab dem Anfang des laufenden Monats und für die vergangenen vier Jahre unter entsprechender Abänderung etwaiger bestandskräftiger Bescheide Leistungen gem. § 2 AsylbLG zu gewähren.

Die Beklagte bewilligte der Klägerin daraufhin für die Zeit ab dem 01.04.2009 Leistungen gem. § 2 AsylbLG unter Zugrundelegung des Regelsatzes in Höhe von 90 % des Haushaltsvorstands.

Durch Bescheid vom 16.07.2009 gewährte die Beklagte der Klägerin für die Zeit vom 01.01.2005 bis zum 31.03.2009 Leistungen gem. § 2 AsylbLG in Höhe von insgesamt 1.477,98 EUR. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, das Bundessozialgericht (BSG) habe in mehreren Entscheidungen vom 17.06.2008 seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben. Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten im Sinne des § 2 AsylbLG liege nunmehr nur noch dann vor, wenn der Ausländer vorsätzlich eine Maßnahme treffe, die seine Aufenthaltsdauer beeinflusse. Es reiche nicht aus, dass der Ausländer sich weigere freiwillig auszureisen. Ferner habe das BSG durch Urteil vom 17.6.2008 die Anwendung des § 44 SGB X im Asylbewerberleistungsrecht bestätigt. Dabei habe es allerdings auch deutlich gemacht, dass bei der nachträglichen Erbringung von Leistungen der Aktualitätsgrundsatz zu beachten sei. Nicht mehr bestehende Bedarfe seien danach nicht mehr zu decken. Unter Anwendung des Aktualitätsgrundsatzes könne es nicht zu einer vollständigen Nachzahlung der Differenzbeträge zwischen den Leistungen nach § 3 AsylbLG und den Leistungen gem. § 2 AsylbLG kommen. Denn in den Regelsatzleistungen seien Beträge für Bedarfe enthalten, deren Deckung jetzt nicht mehr möglich sei. Andererseits sei zu berücksichtigen, dass die Hilfebedürftigen bei regelmäßiger Zahlung der Leistungen nach § 2 AsylbLG in der Vergangenheit in der Lage gewesen wären, Regelsatzbestandteile für den Kauf von Gütern anzusparen. Es sei deshalb zu prüfen, welche Bedarfe mit den Leistungen nach § 3 AsylbLG bereits abgedeckt worden seien und in welchen Bereichen ein Nachholbedarf bestehe. Die Aufschlüsselung des Regelsatzes in die darin enthaltenen Bedarfspositionen zeige, dass ein Nachholbedarf nur in Bezug auf die Anschaffung von Bekleidung und Schuhen, von Möbeln, Haushaltsgeräten und anderen Einrichtungsgegenständen, von Fahrrädern, für den Kauf von Telekommunikationsmitteln und die Anschaffung von Gegenständen für Freizeit, Unterhaltung und Kultur bestehe. Insgesamt bestehe für den Haushaltsvorstand ein Nachholbedarf in Höhe von 32,19 EUR monatlich. Die Klägerin habe als Mitglied einer Haushaltsgemeinschaft einen Anspruch auf Gewährung von 90 % dieses Betrags, mithin in Höhe von 28,98 EUR monatlich. Hieraus ergebe sich für 51 Monate ein Nachzahlungsbetrag in Höhe von 1.477,98 EUR.

Die Klägerin legte gegen diesen Bescheid Widerspruch ein. Zu dessen Begründung führte sie im Wesentlichen aus, die Rechtsprech...

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