Entscheidungsstichwort (Thema)

Genehmigungsfiktion eines Leistungsantrags des Versicherten bei nicht fristgerechter Bescheidung durch die Krankenkasse

 

Orientierungssatz

1. Die Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a SGB 5 tritt ein, wenn die Krankenkasse einen hinreichend bestimmten Leistungsantrag des Versicherten nicht innerhalb der Frist des Abs. 3a beschieden hat. Die beantragte Leistung darf nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung liegen. Bei einem Body-Mass-Index von 51 darf der übergewichtige Versicherte eine Magenband-Operation für erforderlich halten.

2. § 13 Abs. 3a SGB 5 begründet sowohl einen Kostenerstattungs- als auch einen Sachleistungsanspruch des Versicherten.

3. Durch die Genehmigungsfiktion gilt die Genehmigung der beantragten Leistung durch einen fingierten Verwaltungsakt als erlassen. Eine spätere Mitteilung einer ablehnenden Entscheidung der Krankenkasse lässt die Voraussetzungen der Genehmigungsfiktion unberührt.

 

Tenor

I. Der Bescheid vom 29.07.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.09.2015 wird aufgehoben.

II. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin aufgrund der gem. § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V eingetretenen Genehmigungsfiktion mit der beantragten Magenband-Operation als Sachleistung zu versorgen.

III. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

 

Tatbestand

Streitig ist die Verpflichtung der Beklagten, die Klägerin auf ihren am 28.05.2015 eingegangenen Antrag vom 14.05.2015 hin mit einer Magenband-Operation als Sachleistung zu versorgen.

Die am XX.XX. 1973 geborene, bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Klägerin, hatte mit Schreiben vom 14.05.2015 einen Antrag auf Kostenübernahme für eine Magenband-Operation in der Chirurgischen Klinik München-Bogenhausen gestellt.

Als Begründung gab sie an, sie wiege bei einer Körpergröße von 1,68 m momentan 144 kg, das ergebe einen BMI von 51 Kg/m². Während sie früher noch begeistert Sport getrieben habe, tue ihr mittlerweile jede Anstrengung weh. Sie habe seit ihrer Kindheit unzählige Diäten absolviert, habe auch teilweise 10 bis 15 kg abgenommen, aber es sei danach immer wieder zu Gewichtszunahmen gekommen. Sie leide unter Bluthochdruck sowie Rücken- und Gelenkbeschwerden.

Beigefügt hatte die Klägerin u.a ein Ernährungsprotokoll für die Zeit vom 21.04.2015 bis 12.05.2015, ein Sporttagebuch, diverse Atteste der behandelnden Ärzte, u.a. der Chirurgischen Klinik München-Bogenhausen - Adipositas-Zentrum - (Prof. Dr. C./Dr.D.) und der Praxis für Neurologie im MVZ Dr. E. sowie Bestätigungen über die Teilnahme an Ernährungsberatungen (Bl. 25 ff. der VerwA).

Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) am 09.06.2015 mit der Begutachtung und teilte dies der Klägerin mit Schreiben vom gleichen Tag mit.

Nach der medizinischen Stellungnahme des MDK Bayern vom 13.07.2015, auf deren Inhalt Bezug genommen wird, setze eine operative Adipositaschirurgie eine Ultima Ratio Indikation voraus nach Durchführung eines mindestens 6-12monatigen konservativen multimodalen Behandlungskonzepts unter ärztlicher Begleitung an Hand nachvollziehbarer Behandlungsdokumentationen. Die vorgelegten, großenteils summarisch -anamnetischen Atteste seien nicht ausreichend aussagefähig für eine medizinische Ultima Ratio Indikation. Die Kostenübernahme werde nicht empfohlen, sondern eine konservative Therapie entsprechend der Leitlinien der Adipositasfachgesellschaften angeraten.

Mit Bescheid vom 29.07.2015 lehnte die Beklagte unter Bezugnahme auf die MDK-Stellungnahme den Antrag der Klägerin ab. Zu berücksichtigen seien die Kriterien des Bundessozialgerichtsurteils vom 19.02.2003 in Verbindung mit den Leitlinien der Deutschen Adipositas Gesellschaft. Danach sei die Durchführung eines bariatrischen Eingriffs lediglich bei nachgewiesener Ultima Ratio Situation, also nach dem Ausschöpfen aller konservativen Therapiemöglichkeiten, indiziert. Dazu müssten folgende Bedingungen erfüllt sein: Eine mehr als fünf Jahre bestehende Adipositas mit einem BMI von 40 kg/m², beziehungsweise einem BMI von 35 kg/m² bei adipositasassoziierter Komorbidität, eine erfolglose konservative Therapie mit einer mindestens 6-, besser 12-monatigen ärztlich kontrollierten, zusammenhängend durchgeführten Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie, ein tolerables Operationsrisiko und ausreichende Motivation sowie das Nichtvorliegen einer manifesten psychiatrischen Erkrankung, welche eine Kontraindikation gegen den geplanten Eingriff darstelle. Diese Voraussetzungen lägen bei der Klägerin nicht vor.

Die Klägerin erhob gegen diesen Bescheid am 07.08.2015 Widerspruch und gab an, sie erfülle alle im Ablehnungsschreiben zitierten Kriterien des BSG-Urteils.

Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 23.09.2015 zurück. Sie verwies auf die MDK-Stellungnahmen, wonach eine Ultima Ratio Situation bei der Klägerin nicht vorliege.

Hiergegen richtet sich die am 20.10.2015 erhobene Klage. Zur Klagebeg...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge