Entscheidungsstichwort (Thema)

Magenverkleinerungsoperation wegen Adipositas als Krankenkassenleistung

 

Orientierungssatz

Bei einem BMI größer 40 (hier: 44), Erschöpfung der konservativen Behandlungsmöglichkeiten, das Nichtbestehen von wesentlichen medizinischen Kontraindikationen gegen die Durchführung einer Operation und zweifelsfreier Motivation des Versicherten liegen die krankenversicherungsrechtlichen Leistungsvoraussetzungen nach § 27 Abs 1 S 1 Nr 6 in Verbindung mit § 39 SGB V (juris: SGB 5) für eine Magenverkleinerungsoperation wegen Adipositas vor. 

 

Tenor

1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 25.5.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.1.2012 verurteilt, der Klägerin für die durchgeführte Magenverkleinerungsoperation insgesamt 10.751,46 € zu erstatten.

2. Die Beklagte erstattet der Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem Sozialgesetzbuch V (SGB V) um eine Kostenerstattung für eine Magenverkleinerungsoperation.

Die am 1983 geborene bei der Beklagten versicherte Klägerin beantragte am 11.5.2011 unter Vorlage verschiedener Befundunterlagen zur Behandlung ihrer Adipositas die Durchführung einer Magenverkleinerungs- bzw. Schlauchmagenoperation.

Hierzu führte der MDK in seinem Gutachten vom 20.5.2011 zusammenfassend aus, eine medizinische Indikation für die geplante Operation liege nicht vor, denn eine Magen-verkleinerungsoperation könne “nicht als ultima ratio gesehen werden„. Zwar liege bei einem Körpergewicht von 117 kg und einer Körpergröße von 163 cm ein BMI von 44,03 kg/m² vor. Dies entspreche einem Übergewicht von mehr als 54 kg. Die Klägerin habe nach eigenen Angaben seit 2001 vielfältige, aber vergebliche Bemühungen unternommen, ihr Gewicht zu reduzieren (stationäre Kuren, zahlreiche Diäten, Ernährungsberatung). An Begleiterkrankungen bestünden neben Einschränkungen im Bewegungsapparat nach dem kardiologischen Befund vom 8.4.2011 (Dr. N.) eine therapiebedürftige Hypertonie 3. Grades sowie eine konzentrische Linksherzhypertrophie. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. habe am 7.4.2011 eine Essstörung festgestellt und zudem darauf hingewiesen, dass die Klägerin durch Ganztagsarbeit sowie tägliche Fahrzeiten von 2 Stunden überlastet sei. Daher könne eine mittelgradige depressive Episode angenommen werden. In dem Ernährungstagebuch (28.2.2011 - 10.4.2011) falle auf, dass außer Kaffee keine anderen Getränke angeführt seien. Die psychosomatische Ambulanz der Universität Heidelberg habe anlässlich einer Vorstellung vom 9.4.2011 festgehalten, dass die Klägerin “keine Wahrnehmung für ihr problematisches Essverhalten„ habe und es sich bei der Klägerin um eine “adipöse Patientin mit sozialen Ängsten„ handele. Orientiert an den vom Bundessozialgericht (BSG) aufgestellten Kriterien zur Durchführung einer Magenverkleinerungsoperation im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung sei eine Ausschöpfung der konservativen Behandlungsmöglichkeiten “nicht stringent erkennbar„. Denn es habe “zu keinen Zeitpunkt ein langfristig angelegtes integratives Behandlungskonzept stattgefunden„. Grundsätzlich müsse beachtet werden, dass es sich bei der streitigen Operation um eine “Hoch-Risiko-Operation„ handele, wobei aufgrund der Begleiterkrankungen der Klägerin ein “zusätzliches Risikopotenzial„ bestehe. Letztlich müsse dies vom Operateur beurteilt bzw. verantwortet werden. Schließlich sei eine “ausreichende Motivation und Compliance„ nicht zu erkennen, denn nach der im Ernährungstagebuch dokumentierten Kost hätte es “unweigerlich zu einer Gewichtsreduktion kommen müssen„. Im Übrigen stehe der Durchführung einer solchen Operation auch entgegen, dass durch Dr. S. dokumentierte manifeste psychiatrische Erkrankungen vorlägen.

Daraufhin teilte die Beklagte der Klägerin mit dem Bescheid vom 25.5.2011 mit, dass die Voraussetzungen für eine Kostenübernahme bzw. für eine Durchführung der Magenverkleinerungs- bzw. Schlauchmagenoperation nicht vorlägen. Die Beurteilung durch den MDK sei “richtungweisend„.

Gegen diese Entscheidung erhob die Klägerin am 17.6.2011 Widerspruch: Ihrer Auffassung nach erfülle sie “durchaus alle Bedingungen für eine Magenverkleinerungsoperation„. Im Hinblick auf ihr Ernährungstagebuch wolle sie klarstellen, dass es für sie “als sehr übergewichtige Person„ selbstverständlich sei, “keine kalorienreichen Getränke„ zu sich zu nehmen. Daher trinke sie überwiegend “stilles Wasser mit und ohne Geschmacksverstärker„ oder “zur Abwechslung ... Pepsi Light, Schwip Schwap Light und 7up Light„. Zu dem Bericht der psychosomatischen Ambulanz der Universität Heidelberg wolle sie anführen, dass sie “zu dieser Zeit bereits eine Zusage auf eine Kur„ gehabt habe “und übermotiviert„ gewesen sei. Daher habe sie “das Problem zwar„ erkannt, aber sich “einfach auf die Lösung zu sehr konzentriert„. Zudem habe sie ihrer Einschätzung nach die konservativen Behandlungsmöglichkeiten in der Vergangenheit aus...

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