Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankengeld. Fortbestehen des Anspruchs bei Arbeitsunfähigkeit. erste ärztliche Feststellung als Nachweis ausreichend. Änderung des § 46 S 1 Nr 2 SGB 5 durch das GKV-VSG. Normkonkretisierung durch höchstrichterliche Rechtsprechung weder für die Zukunft legalisiert, noch für die Vergangenheit legitimiert. Verfassungsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Solange Arbeitsunfähigkeit fortbesteht, genügt für die Aufrechterhaltung des Krankengeldanspruchs bis zum Ende der Anspruchshöchstdauer (§ 48 Abs 1 SGB V) oder bis zum Ausschluss (§ 50 Abs 1 S 1 SGB V) bzw Wegfall (§ 51 Abs 3 S 1 SGB V) des Anspruchs eine erste ärztliche Feststellung. § 46 S 1 Nr 2 SGB V regelt nur den Beginn des Krankengeldanspruchs (Anschluss an ua LSG Halle vom 2.11.1999 - L 4 KR 10/98 - RdNr 27; LSG Celle-Bremen vom 27.8.2002 - L 4 KR 144/00; SG Speyer vom 22.5.2015 - S 19 KR 959/13 - RdNr 41 ff; entgegen ua BSG vom 16.12.2014 - B 1 KR 31/14 R; B 1 KR 35/14 R; B 1 KR 37/14 R = SozR 4-2500 § 192 Nr 7).

2. Durch die Änderung des § 46 S 1 Nr 2 SGB V und durch die Einfügung des neuen § 46 S 2 SGB V mit dem Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz - GKV-VSG) mit Wirkung zum 23.7.2015 ist weder für die Vergangenheit noch für die Zukunft eine wesentliche Änderung der Rechtslage bezüglich der Aufrechterhaltung des Krankengeldanspruchs eingetreten. Mit der Neuregelung wird die gesetzeswidrige Normkonkretisierung des BSG weder für die Zukunft legalisiert, noch für die Vergangenheit legitimiert.

3. Eine unterbliebene Reaktion der Gesetzgebungsorgane auf eine ständige höchstrichterliche Rechtsprechung ist für die Auslegung des Gesetzes bedeutungslos. Die Interpretation der Untätigkeit der Gesetzgebungsorgane als legitimierende Billigung der Rechtsprechung ist aus verfassungsrechtlichen und tatsächlichen Gründen nicht begründbar.

 

Tenor

1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 05.04.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.06.2013 verurteilt, dem Kläger Krankengeld in gesetzlicher Höhe für den Zeitraum vom 14.02.2013 bis zum 03.07.2014 zu zahlen, soweit der Anspruch nicht durch Zahlung von Arbeitslosengeld II gemäß § 107 Abs. 2 SGB X erloschen ist.

2. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Zahlung von Krankengeld.

Der am …1963 geborene Kläger war bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Er war nach einer Zeit der Arbeitslosigkeit seit dem 01.11.2012 als Küchenleiter in einem Alten- und Pflegeheim in Vollzeit (39 Stunden in der Woche) beschäftigt. Der Kläger litt u.a. an einem Ende Januar 2013 erstmals diagnostizierten Aortenaneurysma.

Auf einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nach Krankenkassenmuster bescheinigte der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. G dem Kläger am 03.01.2013 Arbeitsunfähigkeit ab dem 03.01.2013 auf Grund der Diagnosen R42 (Schwindel und Taumel) und R51 (Kopfschmerz). Dr. G gab in dem hierzu im Formular vorgesehenen Feld an, dass der Kläger voraussichtlich bis einschließlich 10.01.2013 arbeitsunfähig sein werde.

Auf einem Fragebogen zur Einschätzung des Rehabilitationsbedarfs gab Dr. G gegenüber der Beklagten am 09.01.2013 die Diagnosen R42 (Schwindel), R51 (Kopfschmerz) und Bandscheibenvorfall (NPP 6/7; M 51.2) an. Die im Fragebogen enthaltene Frage “Wie lange wird die Arbeitsunfähigkeit voraussichtlich dauern?„ beantwortete Dr. G mit einem in Klammern gesetzten Fragezeichen und dem Datum 16.01.2013.

Mit einer Folgebescheinigung nach Krankenkassenmuster vom 10.01.2013 attestierte Dr. G dem Kläger Arbeitsunfähigkeit seit dem 03.01.2013 wiederum auf Grund der Diagnosen R42 und R51. Er gab in dem hierzu vorgesehenen Feld an, dass der Kläger voraussichtlich bis einschließlich 16.01.2013 arbeitsunfähig sein werde.

Mit einer Folgebescheinigung vom 17.01.2013 bescheinigte Dr. G dem Kläger Arbeitsunfähigkeit seit dem 03.01.2013 auf Grund der Diagnosen R42 (Schwindel), R51 (Kopfschmerz), I49.9 (Kardiale Arrhythmie, nicht näher bezeichnet) und I10.9 (Essentielle Hypertonie, nicht näher bezeichnet, ohne Angabe einer hypertensiven Krise) und gab in dem hierzu vorgesehenen Feld an, dass der Kläger voraussichtlich bis einschließlich 25.01.2013 arbeitsunfähig sein werde.

Mit einer Folgebescheinigung vom 28.01.2013 bescheinigte Dr. G dem Kläger Arbeitsunfähigkeit seit dem 03.01.2013 auf Grund der gleichen Diagnosen und gab in dem hierzu vorgesehenen Feld an, dass der Kläger voraussichtlich bis einschließlich 01.02.2013 arbeitsunfähig sein werde.

Am 30.01.2013 stellte sich der Kläger zur Abklärung einer Synkope in der Cardiopraxis Ingelheim vor. Dort wurden durch Frau Dr. P die Diagnosen Zustand nach vagaler Synkope, Arterielle Hypertonie, Aortenaneurysma der Aorta ascendens (aktuell 48 mm) und grenzwertige Hyperthyreose gestellt.

Am 05.02.2013 wurde bei dem Kläger durch die Radiologische Gemeinschaftspraxis in Bingen (RGB) eine Computertomographie de...

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