Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Überleitung von Beitragsschulden eines verstorbenen Mitglieds auf eine Erbengemeinschaft. keine Befugnis der Krankenkasse zur Entscheidung über die Erbenstellung. Erbausschlagung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Krankenkasse darf Beitragsschulden eines verstorbenen Mitglieds durch Verwaltungsakt auf eine Erbengemeinschaft überleiten, wenn die Erbenstellung erbrechtlich geklärt ist. Im Falle einer Erbengemeinschaft müssen die Beitragsschulden in einer bestimmten Weise auf alle ihrer Mitglieder übergeleitet werden. Die Mitglieder der Erbengemeinschaft müssen erkennen, auf welcher Grundlage in welchem Monat welche Beiträge entstanden sind, wann diese fällig wurden und inwieweit diese ggf teilweise entrichtet wurden. Es kann im Bescheid weiterhin geregelt werden, wen die Krankenkasse (gesamtschuldnerisch) in Anspruch nimmt. Säumniszuschläge und Mahngebühren sind ebenfalls aufzuschlüsseln.

2. Ist das Erbe ausgeschlagen, so darf die Krankenkasse nicht durch Verwaltungsakt regeln, dass trotzdem die Erbschaft erfolgt ist. Sie muss die Erbenstellung zunächst vor dem dazu berufenen Gericht klären.

 

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 23. Mai 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Januar 2014 wird aufgehoben.

Die Beklagte hat der Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um Beitragsschulden.

Der verstorbene Ehemann der Klägerin war bis zu seinem Tod am 13. Februar 2013 bei der Beklagten gegen das Risiko der Krankheit versichert. Aus diesem Versicherungsverhältnis resultieren laut Mitteilung der Beklagten Beitragsschulden gegenüber der Beklagten und der Pflegekasse aus den Jahren 2006 bis 2008 in Höhe von 2.559,06 Euro. Zusammen mit Säumniszuschlag in Höhe von 8.237,00 Euro und Kosten in Höhe von 28,30 Euro summiert sich der geltend gemachte Betrag am 31. März 2013 auf 10.824,36 Euro.

Am 14. März 2013 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass beim Amtsgericht B. kein Nachlassvorgang vorliege, so dass die gesetzliche Erbfolge bestehe. Sie bat um Mitteilung der Namen und Anschriften der Kinder.

Am 10. April versuchte die Beklagte in die Witwenrente der Klägerin zu vollstrecken.

Am 2. Mai 2013 vollstreckte die Beklagte fruchtlos in das Girokonto der Klägerin.

Am 14. Mai 2013 schlug die Klägerin beim Amtsgericht B. das Erbe aus. Sie habe erst am 10. Mai 2013 Kenntnis vom Erbanfall gehabt.

Mit dem ausschließlich an die Klägerin gerichteten Bescheid vom 23. Mai 2013 stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin zusammen mit ihren nicht namentlich erwähnten Kindern in Erbengemeinschaft Rechtsnachfolgerin des Verstorbenen geworden sei. Sie hafte in Gesamtschuldnerschaft auch für dessen Verbindlichkeiten. Sie forderte zur Zahlung.

Hiergegen richtete sich der Widerspruch der Klägerin vom 3. Juni 2013. Sie habe das Erbe ausgeschlagen. Die Witwenrente betrage lediglich 330,73 Euro. Sie verfüge über kein Vermögen. Sie legte einen Bescheid zur Grundsicherung im Alter vor.

Die Beklagte ermittelte, dass die Klägerin am 18. Februar 2013 einen Witwenrentenantrag gestellt habe.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23. Januar 2014 zurück. Die Klägerin habe ab Beantragung der Witwenrente vom Erbfall gewusst. Die Erbausschlagung sei wegen § 1922 BGB verfristet gewesen. Die beim Nachlassgericht abgegebene Erklärung sei unwirksam. Die Klägerin habe von den Beitragsschulden gewusst. Sie habe die Beerdigung vorgenommen und sich die Früchte des Erbes verschafft.

Die Klägerin hat am 7. Februar 2014 Klage zum Sozialgericht Koblenz erhoben, das die Sache antragsgemäß an das Sozialgericht Mainz verwies. Sie habe nicht gewusst, dass sie Erbin geworden sei. Sie habe sich aufgrund von Pietät und der landesrechtlichen Verpflichtung aus dem Landesbestattungsgesetz um die Beerdigung gekümmert und Witwenrente beantragt. Sie habe keine erbrechtlichen Früchte in Anspruch genommen, da es keine gäbe. Nachdem die Klägerin belehrt worden sei, habe sie sofort das Erbe ausgeschlagen. Sie weist auf einen Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 14. Juni 1983 (BReg 1 Z 124/82) hin. Sie beruft sich auf Verjährung.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 23. Mai 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Januar 2014 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass sie als Vollstreckungsbehörde ohne gerichtliches Verfahren die Erbenstellung der Klägerin durch Verwaltungsakt feststellen kann. Die Beklagte habe sich an die Klägerin wenden können, da die Erbengemeinschaft Gesamtschuldner sei und daher jedes Mitglied der Erbengemeinschaft gesamtschuldnerisch hafte. Der Bescheid habe lediglich deklaratorische Wirkung, da die Universalsukzession kraft Gesetzes eintrete. In einem rentenrechtlichen Verfahren habe die erste Kammer des Sozialgerichts Mainz aus der Stellung eines Witwenrentenantrags auf die Erbenstellung geschlossen.

Eine Differenzierung zwischen Krankenkasse und Pflegekasse sei im Be...

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