Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Prüfung eines lokalen Sonderbedarfs an schlafmedizinischen Leistungen durch Zulassungsgremien. ärztliche Zusatzbezeichnung "Schlafmedizin". keine Grundlage für die Feststellung eines qualifikationsbezogenen Sonderbedarfs. Beurteilungsspielraum

 

Leitsatz (amtlich)

1. In der Bedarfsplanung zur vertragsärztlichen Versorgung dürfen die Zulassungsgremien bei ihren Erwägungen zur Prüfung eines lokalen Sonderbedarfs an schlafmedizinischen Leistungen als Planungsbereich auch den Bezirk der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung, also die Versorgungsebene, die der "spezialisierten fachärztlichen Versorgung" vorbehalten ist, heranziehen, wenn diese Leistungen ist den übrigen, räumlich kleinteiligeren Versorgungsebenen nicht angeboten werden.

2. In der Bedarfsplanung der vertragsärztlichen Versorgung kann die ärztliche Zusatzbezeichnung "Schlafmedizin" allein keine Grundlage für die Feststellung eines qualifikationsbezogenen Sonderbedarfs sein.

 

Orientierungssatz

Den Zulassungsgremien steht bei der Konkretisierung und Anwendung der für die Anerkennung eines Sonderbedarfs maßgeblichen Tatbestandsmerkmalen ein der gerichtlichen Nachprüfung nur eingeschränkt zugänglicher Beurteilungsspielraum zu (vgl BSG vom 28.6.2017 - B 6 KA 28/16 R = SozR 4-2500 § 101 Nr 19 RdNr 21 mwN).

 

Tenor

Der Beschluss des Beklagten vom 29. April 2015 wird aufgehoben und der Beklagte verurteilt, über den Antrag der Klägerin, die Anstellung des Beigeladenen zu 8. im Wege des Sonderbedarfes als Facharzt für Innere Medizin mit vollem, hilfsweise mit halbem Versorgungsauftrag zu genehmigen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen zu 2) bis 8) tragen die Klägerin zu 50% und der Beklagte sowie die Beigeladene zu 1) jeweils zu 25%.

Die Sprungrevision wird zugelassen.

Der Streitwert wird auf 60.000,00 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Genehmigung, den zu 8. beigeladenen Arzt in ihrem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) in Halle (Saale) anzustellen.

Der Beigeladene zu 8. ist Facharzt für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Lungen- und Bronchialheilkunde und der Zusatzbezeichnung "Schlafmedizin". Er ist im Krankenhaus ..., dem Träger der Klägerin, als Oberarzt angestellt und leitet dort das Schlaflabor. In dieser Funktion ist er seit 1998 auch zur ambulanten vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt. Einen früheren Antrag des Beigeladene zu 8., ihn in dem Bereich Pneumologie ausnahmsweise im Rahmen eines Sonderbedarfes lediglich zur Erbringung schlafmedizinischer Leistungen zur niedergelassenen vertragsärztlichen Versorgung zuzulassen, hatten die Zulassungsgremien bereits in den Jahren 2009 und 2010 wegen Zulassungsbeschränkungen und mit der Begründung abgelehnt, der Bedarf könne auch durch die Ermächtigung gedeckt werden. Demgemäß ermächtigte der Zulassungsausschuss Sachsen-Anhalt für die Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit den Beigeladenen zu 8. jeweils befristet auf zwei Jahre (Beschlüsse vom 30. November 2013, 2. Dezember 2015 und 15. November 2017) zuletzt vom 01. Januar 2018 bis 31. Dezember 2019,

in Problemfällen bei Patienten die Polygraphie und Polysomnographie durchzuführen, wenn sie von niedergelassenen Vertragsärzten, die eine Schlafapnoediagnostik durchführen, überwiesen werden

sowie die Diagnostik und Therapie von Patienten mit generellen Atmungsstörung nach erfolgter apparativer Einstellung (ausgeschlossen nCPAP-Beatmung und alleinige Sauerstofftherapie) durchzuführen, wenn sie von niedergelassenen Vertragsärzten überwiesen werden.

In der Honorarverteilung durch die Beigeladene zu 1. ist der Beigeladene zu 8. der Arztgruppe der ermächtigten Ärzte mit dem Versorgungsauftrag fachärztliche Innere Medizin mit Schwerpunkt Pneumologie zugeordnet.

Am 24. September 2014 beantragte die Klägerin bei dem Zulassungsausschuss die Genehmigung, den Beigeladenen zu 8. mit Wirkung vom 1. Januar 2015 in einem Umfang von mehr als 30 Stunden in der Woche anstellen zu dürfen. Mit der Anstellung sei beabsichtigt, den lokalen und qualifikationsbezogenen Sonderbedarf zu decken, der aufgrund einer unzureichenden Versorgungslage bezüglich der Erbringung von Leistungen im Schlaflabor im Bereich des südlichen Sachsen-Anhalts in der kreisfreien Stadt Halle/Saale (HAL) sowie den Landkreisen Saalekreis (SK), Mansfeld-Südharz (MSH), Salzlandkreis (SLK), Anhalt-Bitterfeld (ABI), Wittenberg (WB), Dessau-Roßlau (DE) und Burgenlandkreis (BLK) bestehe. Derzeit warteten die Patienten 14 Monate. Es bestehe bereits ein gut funktionierendes Schlaflabor, dessen Kapazität erweitert werden könne. Dadurch könne die Wartezeit für die etwa 500 Behandlungsfälle pro Quartal reduziert werden. Neben dem Anstellungsvertrag über 31 Stunden wöchentlich, der unter dem Vorbehalt der beantragten Genehmigung geschlossen worden war, fügte die Klägerin die Erklärung des Beigeladenen zu 8. bei, er werde nach Genehmigung seiner A...

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