Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Entstehung einer Terminsgebühr in einem schwerbehindertenrechtlichen Verfahren, das nach Abgabe und Annahme eines Teilanerkenntnisses und Klagerücknahme im Übrigen endete

 

Tenor

Unter Zurückweisung der Erinnerung im Übrigen werden die von dem Beklagten an die Klägerin zu erstattenden außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits endgültig auf einen Betrag in Höhe von 261,76 € festgesetzt. Dieser Betrag ist seit dem 25. Juli 2006 mit jährlich 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Höhe der der Klägerin von dem Beklagten im Rahmen des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - (RVG)) zu erstattenden Gebühren im sozialgerichtlichen Verfahren.

Im zugrunde liegenden Klageverfahren begehrte die im Februar 1998 geborene - also jetzt 9 Jahre alte - Klägerin, bei der zuletzt ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die medizinischen Voraussetzungen für die Zuerkennung der Merkzeichen “G„, “aG„, “H„, “B„ und “RF„ bindend festgestellt worden waren, mit Neufeststellungsantrag vom 06. Februar 2004 die Zuerkennung der medizinischen Voraussetzungen für das Merkzeichen “Bl„ nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX). Diesen Antrag lehnte das (damalige) Versorgungsamt Verden mit Bescheid vom 21. April 2004 ab und wies den hiergegen erhobenen Widerspruch vom 17. Mai 2004 mit Widerspruchsbescheid vom 07. April 2005 als unbegründet zurück. Hiergegen erhob sie vor dem Sozialgericht Lüneburg - S 15 SB 205/05 - am 04. Mai 2005 Klage. Nach Einholung diverser Befundberichte und sonstiger medizinischer Unterlagen (insbesondere eines augenfachärztlichen Sachverständigengutachtens des E. vom 04. Mai 2006) gab der Beklagte mit Schriftsatz vom 28. Juni 2006 ein Teilanerkenntnis ab, verpflichtete sich, bei der Klägerin die medizinischen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens “Bl„ ab Januar 2004 festzustellen und erklärte sich bereit, die Kosten des Rechtsstreits zur Hälfte zu erstatten. Dieses Anerkenntnis nahm die Klägerin mit Schriftsatz vom 24. Juli 2006 an und erklärte darüber hinaus den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.

Mit gleichem Schriftsatz hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin Kosten für das erstinstanzliche Klageverfahren in Höhe von 377,76 € geltend gemacht, die sich wie folgt zusammensetzen:

Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3103 VV-RVG

210,00 €

Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 VV-RVG

200,00 €

Erledigungsgebühr gemäß Nr. 1006 VV-RVG

190,00 €

Post- und Telekommunikationspauschale gemäß Nr. 7002 VV-RVG

20,00 €

92 Fotokopien gemäß Nr. 7000 1a VV-RVG

31,30 €

Zwischensumme

651,30 €

16 % Umsatzsteuer gemäß Nr. 7007 VV-RVG

104,21 €

Gesamtsumme

755,51 €

hiervon ½

377,76 €

Mit Beschluss vom 05. August 2006 hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die von dem Beklagten der Klägerin zu erstattenden außergerichtlichen Kosten für das Klageverfahren wie beantragt in Höhe von 377,76 € festgesetzt.

Für das erstinstanzliche Klageverfahren sei die Verfahrensgebühr über der Mittelgebühr anzusetzen, weil sich das gerichtliche Verfahren als insgesamt überdurchschnittlich gestaltet habe, was sich aus den von dem Prozessbevollmächtigten gefertigten Schriftsätzen ergebe. Eine Terminsgebühr sei entstanden, weil zumindest ein Teilanerkenntnis vorliege. Wenn es einen Termin zur mündlichen Verhandlung gegeben hätte, hätte mühelos bei gleichem Prozessausgang eine lange mündliche Verhandlung geführt werden können. Daher sei auch insoweit eine Mittelgebühr zugrunde zu legen. Zur Frage der Festsetzung der Einigungs-/Erledigungsgebühr enthält der Beschluss keine Begründung. Kosten für 92 Kopien seien zu berücksichtigen, weil zu den 45 Kopien, die der Beklagte anerkannt habe, noch Unterlagen aus anderen Behördenakten hinzugekommen sein dürften.

Hiergegen hat der Beklagte am 17. August 2006 Erinnerung eingelegt. Die Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV-RVG sei zu hoch angesetzt worden, das Verfahren sei nicht überdurchschnittlich gewesen; insbesondere könne eine Überdurchschnittlichkeit nicht aus der Anzahl der gefertigten Schriftsätze abgeleitet werden. Die Auseinandersetzung mit medizinischen Sachverhalten und Gutachten sei in Verfahren nach dem Schwerbehindertenrecht die Regel. Liege - wie hier - ein Durchschnittsfall vor, so sei auch eine geringfügige Überschreitung der Mittelgebühr unbillig. Eine (fiktive) Terminsgebühr sei nicht angefallen. Neben der Verfahrensgebühr sei eine Einigungs-/Erledigungsgebühr angefallen. Ein Nebeneinander der Einigungs-/Erledigungsgebühr und der Terminsgebühr sei jedoch nicht zulässig. Ferner seien nur 45 Kopien zu berücksichtigen. Als notwendig würden lediglich Kopien der ärztlichen Unterlagen und gutachtlichen Stellungnahmen anzusehen.

Die Klägerin hält die urkundsbeamtliche Gebührenfestsetzung für rechtmäßig.

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat der Erinnerung des Beklagten nicht abgeholfen (23. Au...

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