Entscheidungsstichwort (Thema)

Zum Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts für sozialgerichtliches Klageverfahren. Höhe der Einigungs- und Erledigungsgebühr

 

Orientierungssatz

1. Der im Wege der Gewährung von Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt ist im Verfahren über die Festsetzung der Rechtsanwaltsvergütung aus Prozesskostenhilfemitteln (neben der Staatskasse) gemäß § 56 Abs. 1 S. 1 RVG allein erinnerungsbefugt.

2. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nach § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist, wobei ihm nach allgemeiner Meinung auch im Anwendungsbereich des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes ein gewisser Toleranzrahmen zusteht. Zwar gilt Satz 4 der Vorschrift nicht, wenn es sich um ein Verfahren handelt, in dem um die Höhe des Prozesskostenhilfevergütungsanspruches gestritten wird, weil die Staatskasse nicht Dritter, sondern Vergütungsschuldner ist. Dennoch findet zu ihren Gunsten eine Billigkeitskontrolle statt.

3. Unbilligkeit liegt vor, wenn der Rechtsanwalt die Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet. Die Aufzählung der Bemessungskriterien in § 14 Abs. 1 S. 1 RVG ist nach dem Wortlaut der Vorschrift (“vor allem") nicht abschließend, so dass weitere, unbenannte Kriterien mit einbezogen werden können. Sämtliche heranzuziehende Kriterien stehen selbstständig und gleichwertig nebeneinander.

 

Tenor

Auf die Erinnerung des Erinnerungsführers vom 17. Mai 2010 wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 04. Mai 2010 - S 18 AL 100/08 geändert. Die dem Erinnerungsführer aus der Staatskasse zu gewährende Prozesskostenhilfevergütung wird endgültig auf einen Gesamtbetrag in Höhe von 392,70 € festgesetzt. Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Höhe der dem Erinnerungsführer vom Erinnerungsgegner im Rahmen der Gewährung von Prozesskostenhilfe in einem Klageverfahren zu erstattenden Gebühren. Im zugrunde liegenden Klageverfahren begehrte die Klägerin höhere Leistungen nach dem BAB in Form einer Fahrtkostenbeihilfe zum Blockunterricht. Das Verfahren endete nachdem die durch den Erinnerungsführer vertretene Klägerin einen gemeinsamen Vergleichsvorschlag der Beklagten für die Verfahren S 18 AL 100/08 und S 18 AL 110/08 annahm. Streitig im vorliegenden Erinnerungsverfahren ist nur noch die Höhe der Erledigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG. Der Erinnerungsführer macht eine Gebühr in Höhe von 190,00 € geltend, die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle berücksichtigte den arbeitserleichternden Umfang der beiden Parallelverfahren und berechnete eine Gebühr in Höhe von 95,00 €.

II.

Die Erinnerung hat teilweise Erfolg.

Der im Wege der Gewährung von Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt ist im Verfahren über die Festsetzung der Rechtsanwaltsvergütung aus Prozesskostenhilfemitteln (neben der Staatskasse) gemäß § 56 Abs. 1 S. 1 RVG allein erinnerungsbefugt (vgl. etwa Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, § 56 Rn 6); das Rubrum war dementsprechend von Amts wegen zu berichtigen.

Die nach § 56 Abs. 1 RVG erhobene Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 04. Mai 2010 - S 18 AL 100/08 ist zulässig und teilweise begründet.

Rechtsgrundlage für den Vergütungsanspruch des Erinnerungsführers ist § 45 Abs. 1 RVG. Danach hat der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt in Verfahren vor Gerichten eines Landes Anspruch auf die gesetzliche Vergütung aus der Landeskasse. Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (Satz 1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4), wobei ihm nach allgemeiner Meinung auch im Anwendungsbereich des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes ein gewisser Toleranzrahmen zusteht. Zwar gilt Satz 4 der Vorschrift nicht, wenn es sich - wie hier - um ein Verfahren handelt, in dem um die Höhe des Prozesskostenhilfevergütungsanspruches gestritten wird, weil die Staatskasse nicht Dritter, sondern Vergütungsschuldner ist. Dennoch findet zu ihren Gunsten eine Billigkeitskontrolle statt (Gerold/Schmidt - Müller-Rabe, RVG, § 55, Rdn. 29). Unbilligkeit liegt vor, wenn er die Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet (vgl. Landessozialgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 12. September 2006, - L 1 B 320/05 SF SK, zitiert nach juris)....

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