Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Versorgung mit einem Hypoglossus-Schrittmachersystem bei Schlafapnoe

 

Leitsatz (amtlich)

Zum Anspruch auf Versorgung mit einem Hypoglossus-Schrittmachersystem bei Schlafapnoe.

 

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über einen Hypoglossus-Schrittmacher.

Hypoglossusnerv-Stimulationssysteme dienen der Behandlung des obstruktiven Schlafapnoe- Syndroms. Sie übertragen das Prinzip der implantierbaren Neurostimulationsgeräte (Schrittmacher) auf die Anwendung als Zweitlinientherapie. Hierbei wird der Impulsgenerator mit integrierter Energieversorgung, ähnlich wie bei einem Herzschrittmacher, implantiert. Ein Kabel verbindet den Impulsgenerator mit einer Elektrode. Diese wird manschettenartig um einen Teil der Fasern des Nervus hypoglossus, also des Nervs, der die Zunge motorisch innerviert, adaptiert. Intraoperativ wird der Nervus hypoglossus in einzelne Faszikel aufgeteilt, wobei durch elektrische Stimulation der Faser des Nervus hypoglossus, die eine anterograde Bewegung der Zunge bewegen sollen, ein Zurückfallen der Zunge während des Schlafs mit Atemaussetzern vermieden wird.

Der 1945 geborene Kläger ist Altersrentner. Er leidet an Morbus Bechterew, Hypertonie und seit 2012 an einem schweren gemischten Schlafapnoe- Syndrom.

Der Chefarzt Dr. S., Chefarzt am Klinikum C., Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde (HNO), beantragte am 05.05.2017 eine Versorgung des Klägers mit einem Hypoglossus-Schrittmacher der Firma Inspire. Dadurch werde der Zungengrund atemsynchron durch eine an den Nervus hypoglossus angebrachte Schrittmacherelektrode nach ventral verlagert. Seit September 2013 nutze sein Patient eine cPAP-Maske, was jedoch zu keiner suffizienten Verbesserung geführt habe. Durch die Maskenbeatmung käme es nach wie vor zu erheblichen Schlafstörungen und bei häufigen Bewegungen während des Schlafes zu einem Verrutschen der Maske. Wegen non-compliance lehne der Kläger daher eine Weiterbehandlung mit der Maske ab. Eine Unterkieferprotrusionsschiene käme wegen Kieferfehlstellung nicht in Betracht, andere Therapie-Optionen durch Schlafmediziner am Heimatort seien bereits ausgeschöpft. In seiner Klinik habe der Patient eine propofolinduzierte Schlaf- Videoendoskopie absolviert, was den Nachweis einer Einengung des Oropharynx durch einen dorsal verlagerten Zungengrund mit dorsal verlagerter Epiglottis erbracht habe. Die Versorgung mit einem Hypoglossus-Schrittmacher sei die einzige noch verbleibende Therapie- Option; weitere Unterlagen und Befunde wurden der Beklagten vorgelegt.

Die Beklagte holte daraufhin ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 20.06.2017 ein. Frau Priv. Doz. Dr. Dr. H. hielt darin die cPAP- Therapie beim obstruktiven Schlafapnoe-Syndrom für den Goldstandard. Bei non-compliance für cPAP kämen Protrusionsschienen-Therapie zur Unterkiefer-Protrusion und eine Hypoglossus- Stimulation in Betracht. Die Hypoglossus- Stimulation sei eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode. Es handele sich hierbei um die elektrische Stimulation des Nervus hypoglossus. Die Operation sei risikobehaftet und dauere ca. 2 bis 3 Stunden, wobei die Gefahr der Verletzung von Gefäßen, Nerven, Brustmuskel, Hals, Lunge und Zunge bestehe. Sie könne deswegen nur stationär durchgeführt werden. Zudem fehle es an einer positiven Bewertung des Gemeinsamen Bundesausschusses. Prospektive radomisierte kontrollierte Studien gäbe es dazu nicht, bis auf eine britische Studie. Danach sei bei einem Drittel der Patienten nach einem Jahr keine Wirkung mehr festzustellen gewesen. Da es sich um eine Operation mit hohem Risiko- und nur eingeschränktem Wirkungspotenzial handele, könne keine Kostenübernahme empfohlen werden. Stattdessen empfehle sie die Neuanpassung der Maske oder einen Wechsel des Maskentyps. Eine Situation, die ausnahmsweise nach dem "Nikolaus-Beschluss" des Bundesverfassungsgerichts eine Kostenübernahme erlaube, liege nicht vor. Auch müsse der Schutzzweck des § 135 SGB V beachtet werden.

Unter Bezugnahme hierauf wies die Beklagte mit Bescheid vom 05.07.2017 den Antrag auf Kostenübernahme ab. Patienten müssten vor unerprobten und risikobehafteten Methoden geschützt werden. Die Methode der Hypoglossusnerv-Stimulation sei - bei hoher Invasivität und hohem Risikopotenzial - nach aktueller Datenlage nur begrenzt wirksam.

Hiergegen legte der Kläger am 14.07.2017 Widerspruch ein. Er verwies auf die Umstände seines Einzelfalles. Er leide unter unruhigem Schlaf und nach Verrutschen der Maske unter lebensgefährlichen "Aussetzern". Die Implantation eines Hypoglossus-Schrittmachers sei mit der eines Herzschrittmachers vergleichbar. Es käme dabei nicht zu den, mehr als üblichen, Komplikationen. Seine behandelnden Ärzte hätten die medizinische Notwendigkeit der beantragten Maßnahme bestätigt.

Beigefügt waren als Anlage ein Attest des Pneumologen D. vom 13.07.2017 und die S 2e Leitlinie vo...

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