Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung und -berechnung. selbständige Arbeit. Nichtberücksichtigung der Corona-Soforthilfe bzw Kleinbeihilfen 2020. zweckbestimmte Einnahme zur Deckung der Betriebsausgaben. Abzug nur ungedeckter Betriebsausgaben von den Betriebseinnahmen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Corona-Soforthilfe ist weder als Einkommen im Sinne des § 11 Abs 1 SGB II noch als Betriebseinnahmen im Sinne des § 3 Abs 1 S 2 ALG II-VO (juris: AlgIIV 2008) zu berücksichtigen.

2. Von den Betriebseinnahmen sind die Betriebsausgaben nur insoweit abzusetzen, als diese durch Corona-Soforthilfe nicht bereits gedeckt sind.

3. Ein die Betriebsausgaben übersteigender Anteil an Corona-Soforthilfe findet bei der Leistungsberechnung keine Berücksichtigung.

 

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Notwendige außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes um die Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), wobei insbesondere die Berücksichtigung einer sogenannten "Corona-Soforthilfe" (folgend Soforthilfe) streitig ist.

Der Antragsteller ist Inhaber einer Gaststätte, welche er im Zuge der COVID-19-Pandemie im März 2020 schließen musste. Seine Ehefrau bezieht Altersrente in Höhe von 966,12 EUR. Mit Antrag vom 31.03.2020 beantragte der Antragsteller beim Antragsgegner Leistungen zur Grundsicherung nach dem SGB II. Im Zuge dessen reichte er eine Anlage zur Erklärung zum Einkommen aus selbständiger Tätigkeit (EKS) ein, ausweislich derer er für den Monat März einen Verlust in Höhe von 188,00 EUR angab und für die übrigen Monate April bis August einen Gewinn in Höhe von 772,00 EUR prognostizierte. Am 06.04.2020 erhielt der Antragsteller 9.000,00 EUR Soforthilfe von der S-Bank (S.B.).

Mit Bescheid vom 24.04.2020 lehnte der Antragsgegner die Gewährung von Leistungen ab. Aufgrund der Höhe des anzurechnenden Einkommens sei der Antragsteller nicht hilfebedürftig. Dagegen legte der Antragsteller am 30.04.2020 Widerspruch ein, der nach Kenntnis des Gerichtes noch nicht verbeschieden wurde.

Am selben Tage ersuchte der Antragsteller einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht Leipzig. Im Zuge dessen reichte er eine korrigierte EKS vom 29.04.2020 ein, ausweislich derer sich die Betriebseinnahmen im streitigen Zeitraum auf 2.068,00 EUR und die Betriebsausgaben auf 7.829,00 EUR belaufen. Auf diese wird für weitere Einzelheiten verwiesen. Der Antragsteller dürfe die Soforthilfe nicht zur Deckung der Kosten des privaten Lebensunterhaltes benutzen. Der Zweck der Soforthilfe werde nur dann erfüllt, wenn im Rahmen der vorläufigen Leistungsbewilligung davon ausgegangen wird, dass im Bewilligungszeitraum kein zu berücksichtigendes Einkommen aus der Selbständigkeit erzielt wird. Die Soforthilfe sei nicht zu berücksichtigen. Nur so könne gewährleistet werden, dass die Soforthilfe tatsächlich nur für betriebliche Ausgaben und nicht zur Existenzsicherung eingesetzt wird und der Zweck der Soforthilfe, Liquiditätsengpässe und Existenzsorgen zu beseitigen, verwirklich werden kann. Die Soforthilfe dürfe zudem nur für Ausgaben in den Monaten März bis Mai 2020 und nicht auch für solche in den Monaten Juni bis August 2020 eingesetzt werden.

Mit Bescheid vom 06.05.2020 hob der Antragsgegner den Ablehnungsbescheid vom, 24.04.2020 auf und bewilligte dem Antragsteller für den Zeitraum vom 01.03.2020 bis 31.08.2020 vorläufige Leistungen in Höhe von 114,14 EUR monatlich.

Der Antragsteller beantragt zuletzt,

dem Antragsgegner im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes aufzuerlegen, (neben der mit Bescheid vom 06.05.2020 bewilligten vorläufigen Leistung für die Zeit vom 01.03.2020 bis 30.08.2020 [gemeint ist wohl der 31.08.2020] in Höhe von 114,14 EUR monatlich) monatlich weitere 195,74 EUR an den Antragsteller zu zahlen.

Der Antragsgegner trägt vor, dass nach den aktuellen Weisungen zum Gesetz für den erleichterten Zugang zu sozialer Sicherung und zum Einsatz und zur Absicherung sozialer Dienstleister aufgrund des Coronavirus SARS-CoV-2 (Sozialschutz-Paket) die prognostizierten Betriebsausgaben von 7.829,00 EUR vollumfänglich durch die Soforthilfe in Höhe von 9.000,00 EUR gedeckt werden würden. Die übrigen Betriebseinnahmen in Höhe von 2.068,00 EUR seien als vorläufiger Gewinn von monatlich 344,67 EUR zu berücksichtigen. Dass die Soforthilfe nur für Betriebsausgaben im Zeitraum vom 01.03.2020 bis 31.05.2020 einzusetzen sei, sei unzutreffend. In der EKS vom 29.04.2020 seien im Zeitraum vom 01.03.2020 bis 31.05.2020 Betriebsausgaben in Höhe von 4.784,00 EUR ausgewiesen worden. Bei Beantragung der Soforthilfe sei ein Liquiditätsengpass in doppelter Höhe geltend gemacht und bewilligt worden.

Mit Schriftsatz vom 26.05.2020 reichte der Antragsteller nach richterlichem Hinweis vom 19.05.2020 wiederum eine korrigierte EKS ein, ausweislich derer der Antragsteller im streitigen Zeitraum Betriebseinnahmen in Höhe von 5.432,00 EUR und Betriebs...

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