Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Werkstatt für behinderte Menschen. Leistungen im Arbeitsbereich. Einkommenseinsatz. Abzugsfähigkeit von Pflichtbeiträgen. keine Kostenübernahme des Beitragszuschlags für Kinderlose in der Pflegeversicherung

 

Leitsatz (amtlich)

Der Beitragszuschlag für Kinderlose in der Pflegeversicherung (§ 55 Abs 3 S 1 SGB 11) kann grundsätzlich nicht im Rahmen der Eingliederungshilfe nach § 54 SGB 12 iVm § 41 Abs 1 SGB 9 erstattet werden.

 

Orientierungssatz

§ 82 Abs 2 Nr 2 SGB 12 kommt gegenüber dem offenen Leistungstatbestand des § 54 Abs 1 SGB 12 ein Vorrangverhältnis zu, das es dem Sozialhilfeträger - ohne Rechtsgrundlage - verbietet, den Beitragszuschlag nach § 55 Abs 3 SGB 11 - zusätzlich - als Eingliederungsleistung zu übernehmen.

 

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) beschäftigte Kläger begehrt vom Beklagten, Bezirk Oberbayern, die Erstattung des von seinem Werkstattlohn einbehaltenden Beitragszuschlags für Kinderlose in der Pflegeversicherung (§ 55 Abs.3 SGB XI) im Rahmen der Eingliederungshilfe.

Der 1970 geborene Kläger ist in einer WfbM beschäftigt, die durch einen freien Träger betrieben wird. Dieser trägt u. a. die für den Kläger zu entrichtenden Beiträge zur Rentenversicherung und gesetzlichen Krankenversicherung. Die Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung trägt er mit Ausnahme des Beitragszuschlags für Kinderlose. Diese Beiträge werden dem Träger der Werkstatt vom zuständigen Träger der Sozialhilfe (dem beklagten Bezirk Oberbayern) erstattet. Der Beitragszuschlag für Kinderlose wurde ab 01.01.2005 in Höhe von 1,21 EUR monatlich vom Werkstattlohn des Klägers (damals 76,87 EUR) einbehalten. Ab 2007 wurden 1,22 EUR und ab 2008 1,24 EUR einbehalten.

In einem Parallelverfahren beantragte der Kläger die Feststellung, dass auch der Beitragszuschlag für Kinderlose zur Pflegeversicherung nach § 55 Abs.3 Satz 1 SGB XI nach § 59 Abs.1 Satz 1 Halbs. 1 SGB XI i.V.m. § 251 Abs.2 Satz 1 Nr.2 SGB V allein vom Träger der WfbM, in der er beschäftigt ist, und nicht von ihm zu tragen ist. Mit Urteil vom 05.05.2010 wies das Bundessozialgericht (Az.: B 12 KR 14/09 R) die Klage ab. Es wurde höchstrichterlich entschieden, dass den Beitragszuschlag für Kinderlose in der Pflegeversicherung der Kläger selber zu tragen habe. Dies folge aus § 59 Abs.5 SGB XI, wonach den Beitragszuschlag für Kinderlose nach § 55 Abs.3 SGB V das Mitglied, vorliegend also der Kläger, selbst tragen müsse.

Am 16.05.2007 beantragte der Kläger beim Beklagten die Erstattung des von ihm monatlich abzuführenden Beitragszuschlags zur gesetzlichen Pflegeversicherung für Kinderlose im Rahmen der Eingliederungshilfe.

Mit Bescheid vom 29.05.2007 lehnte der beklagte Bezirk Oberbayern den Antrag auf Übernahme der Kosten ab. Hiergegen legte der Kläger am 12.06.2007 Widerspruch ein.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27.12.2007 wies die Regierung von Oberbayern den Widerspruch zurück.

Am 08.01.2008 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Landshut.

Der Beklagte gewähre dem Kläger auf Grund eines Bescheids vom 03.01.2005 Eingliederungshilfe u.a. auch durch Übernahme der Kosten für die Betreuung in der Werkstatt für behinderte Menschen. Zu diesen Kosten gehöre auch der Beitragszuschlag für Kinderlose, denn dieser sei in der werkstattbezogenen Pflichtversicherung des Klägers begründet (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 SGB XI).

Der Kläger beantragt, den Bescheid des Beklagten vom 29.05.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Regierung von Oberbayern vom 27.12.2007 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den vom Kläger an die Pflegeversicherung zu entrichtenden Beitragszuschlag für Kinderlose (§ 55 Abs.3 SGB XI) ab 01.05.2007 dem Kläger zu erstatten, zuzüglich 4 % Zinsen für die Zeit vom 01.12.2007 bis zum Tag einer rechtskräftigen Entscheidung.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er verteidigt den angegriffenen Bescheid.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Beklagtenakte, auf die im Klageverfahren zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 02.02.2011 Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

1. Die Klage ist zulässig. Dem Kläger steht für die streitgegenständliche Klage auch ein Rechtsschutzbedürfnis zu. Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt z. B. dann, wenn unzweifelhaft feststeht, dass das begehrte Urteil die rechtliche oder wirtschaftliche Stellung des Klägers nicht verbessert (so Bundesverwaltungsgericht vom 29.04.2004, Az.: 3 C 25/03 = NVwZ-RR 04, 855). Vorliegend begehrt der Kläger die Erstattung des Beitragszuschlags für Kinderlose (§ 55 Abs.3 Satz 1 SGB XI) in Höhe von ca. 1,20 EUR im Rahmen der Eingliederungshilfe nach § 54 SGB XII i.V.m. § 41 SGB IX. Hätte die Klage Erfolg, würde dies bedeuten, dass sich spiegelbildlich das...

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