Entscheidungsstichwort (Thema)

Asylbewerberleistung. Analogleistung. Leistungen in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 bei Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

Zur Verfassungsmäßigkeit des § 2 Abs 1 S 4 Nr 1 AsylbLG, wonach im Falle der Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft bei der Gewährung von Analogleistungen für jede erwachsene Person ein Regelbedarf in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anerkannt wird.

 

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 09.09.2019 wird angeordnet.

II. Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Eilverfahrens um die Gewährung von Grundleistungen gemäß § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) iHv mtl. 364,65 EUR anstatt 322,65 EUR.

Die 1982 geborene Antragstellerin ist nigerianische Staatsangehörige und reiste am 12.10.2016 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sie stellte am 02.11.2016 einen Asylantrag, über den noch nicht endgültig entschieden wurde. Ihr ist der Aufenthalt in Deutschland derzeit gestattet.

Die Antragstellerin ist alleinstehend und seit dem 21.12.2016 der Stadt S. und dort einer Gemeinschaftsunterkunft zugewiesen.

Zuletzt bewilligte die Antragsgegnerin der Antragstellerin Leistungen nach § 2 AsylbLG für den Zeitraum 01.07.2019 bis 31.12.2019 iHv mtl. 364,65 EUR.

Mit Bescheid vom 09.09.2019 hob die Antragsgegnerin den Bescheid vom 21.06.2019 teilweise auf und gewährte der Antragstellerin Leistungen nach dem AsylbLG für den Zeitraum 01.07.2019 bis zum 31.12.2019 in Höhe von monatlich 322,65 EUR. Als Sachleistungen wurden Unterkunft, Energie und Wohnungsinstandhaltung sowie Innenausstattung, Haushaltsgeräte und -gegenstände gewährt. Das Dritte Gesetz zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes ändere nicht nur die Höhe der monatlichen Bedarfssätze, sondern auch die Einteilung in die Bedarfsstufen.

Die Antragstellerin ließ mit Schriftsatz vom 02.10.2019 Widerspruch gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 09.09.2019 erheben, über den noch nicht entschieden ist.

Mit ihrem Antrag vom 08.10.2019 auf einstweiligen Rechtsschutz hat sich die Antragstellerin, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, an das Sozialgericht Landshut gewandt.

Der angegriffene Bescheid sei rechtswidrig.

Die Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 AsylbLG sei evident verfassungswidrig, da sie das durch Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG garantierte Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums verletze und gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstoße, Art. 3 Abs. 1 GG.

Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums sichere jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich seien (BVerfG vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09, BVerfGE125, 175, 1. LS).

Das Grundrecht stehe deutschen und ausländischen Staatsangehörigen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, gleichermaßen zu (BVerfG vom 18.07.2012 - 1 BvL 10/10, BVerfGE 132, 134, 2. LS).

Zur Ermittlung des Anspruchsumfangs habe der Gesetzgeber alle existenznotwendigen Aufwendungen in einem transparenten und sachgerechten Verfahren realitätsgerecht sowie nachvollziehbar auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren zu bemessen (BVerfG vom 09.02.2010 - 1 BVL 1/09, BVerfGE 125, 175, 3. LS).

Eine Berücksichtigung der Besonderheiten bestimmter Personengruppen bei der Festlegung des menschenwürdigen Existenzminimums dürfe nur unter engen Voraussetzungen erfolgen. Eine Differenzierung sei nur möglich, sofern deren Bedarf an existenznotwendigen Leistungen von dem anderer Bedürftiger signifikant abweiche und dies folgerichtig in einem inhaltlich transparenten Verfahren anhand des tatsächlichen Bedarfs gerade dieser Gruppe belegt werden könne (BVerfG vom 18.07.2012 -1 BvL 10/10, BVerfGE 132, 134, 3. LS). Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums erfordere eine Kontrolle der Grundlagen und der Methode der Leistungsbemessung daraufhin, ob sie dem Ziel des Grundrechts gerecht werden. Der Grundrechtsschutz erstrecke sich auch deshalb auf das Verfahren zur Ermittlung des Existenzminimums, weil eine Ergebniskontrolle am Maßstab dieses Grundrechts nur begrenzt möglich sei. Um eine der Bedeutung des Grundrechts angemessene Nachvollziehbarkeit des Umfangs der gesetzlichen Hilfeleistungen sowie deren gerichtliche Kontrolle zu gewährleisten, müsse die Festsetzungen der Leistungen auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren tragfähig zu rechtfertigen sein (BVerfG vom 09.02.2010 -1 BVL 1/09, BVerfGE 125, 175, Rn. 109).

Hinsichtlich des spezifischen Bedarfs von Leistungsberechtigten gem. § 2 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 AsylbLG habe der Gesetzgeber keinerlei Ermi...

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