Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung: Anerkennung einer Berufskrankheit bei einem Schaden an der Lendenwirbelsäule. Anforderungen an die Annahme eines Zusammenhangs zwischen Berufsausübung und Schadensbild

 

Orientierungssatz

1. Allein ein Verstoß gegen das Auswahlrecht eines Versicherten zwischen mehreren Gutachtern im Verwaltungsverfahren über die Anerkennung einer Berufskrankheit führt im nachfolgenden sozialgerichtlichen Verfahren nicht zu einem Verwertungsverbot des so entstandenen Gutachtens.

2. Ist ein Schaden im Bereich der Lendenwirbelsäule nur an einem Segment (hier: L5/S1) festzustellen und fehlt es an typischen Begleiterscheinungen, die aufgrund einer spezifischen Belastung entstehen, ist regelmäßig nicht davon auszugehen, dass die Schädigung aufgrund einer beruflichen Tätigkeit entstanden ist (hier: Stuckateur). Eine Anerkennung des gesundheitlichen Schadens als Berufskrankheit scheidet damit aus.

3. Ein Betroffener, der die Anerkennung einer Krankheit als Berufskrankheit beantragt hat, hat regelmäßig keinen sozialdatenschutzrechtlichen Anspruch auf Löschung eines zur Anspruchsfeststellung eingeholten medizinischen Sachverständigengutachtens.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 20.07.2010; Aktenzeichen B 2 U 17/09 R)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist zum einen streitig, ob die Voraussetzungen einer Berufskrankheit gemäß Ziffer 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKVO) bei dem Kläger vorliegen, zum zweiten ob ein von der Beklagten im Verwaltungsverfahren in Auftrag gegebenes Sachverständigengutachten unter Berücksichtigung datenschutzrechtlicher Vorschriften im Verfahren verwertbar ist und ggfls. aus der Verwaltungsakte entfernt werden muss.

Der am 00.00.1961 geborene Kläger ist von Beruf Stukkateurmeister.

Am 20.11.2002 erfolgte die Anzeige einer Berufskrankheit durch den behandelnden Orthopäden des Klägers, Dr. T1. Es bestände der Verdacht eines berufsbedingten Bandscheibenvorfalls wegen schweren Hebens, Tragens und Bückens.

Die Beklagte zog zunächst Befundberichte der behandelnden Ärzte sowie ein Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse des Klägers bei und beauftragte den technischen Aufsichtsdienst (TAD) mit der Ermittlung der berufsbedingten Gesamtbelastung der Wirbelsäule. Im Rahmen einer Stellungnahme vom 30.04.2003 gelangte der technische Aufsichtsdienst zu dem Ergebnis, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen der Berufskrankheit 2108 bei dem Kläger gegeben seien.

Die Auswertung der medizinischen Unterlagen durch den Chirurgen Dr. C1 im Auftrag der Beklagten ergab das Vorliegen eines monosegmentalen Bandscheibenvorfalls und das Fehlen von kranial nach kaudal zunehmenden belastungsbedingten Veränderungen. In Anbetracht dieses Befundes hielt der ärztliche Berater der Beklagten das Vorliegen der Berufskrankheit 2108 für eher unwahrscheinlich.

Die Beklagte ließ den Kläger daraufhin begutachten. Mit Schreiben vom 13.05.2003 stellte

die Beklagte dem Kläger zwei namentlich benannte Fachärzte für Chirurgie sowie als dritte Option die "orthopädische Gemeinschaftspraxis Prof. Dr. Dr. B1" in C2 zur Auswahl. Mit Schreiben vom 20.05.2003 teilte der Kläger mit, er sei mit dem Gutachter "orthopädische Gemeinschaftspraxis, Prof. Dr. Dr. B1" einverstanden.

Am 25.07.2003 wurde der Kläger sodann von dem Orthopäden Dr. T2, einem Mitglied der Gemeinschaftspraxis Prof. Dr. Dr. B1 untersucht. Dr. T2 erstattete sein Gutachten unter dem 27.07.2003 und gelangte zu dem Ergebnis, dass bei dem Kläger ein mediolateraler Bandscheibenvorfall im Bereich L5/S1 links gegeben sei. Darüber hinaus beständen degenerative Veränderungen der HWS in den Segmenten C4/C5 und C5/C6. Bei dem Kläger liege eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS vor, die das altersübliche Maß nicht überschreite. Die über den Befund der Lendenwirbelsäule hinausgehenden degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule sprächen für schicksalsmäßige, von beruflichen Belastungen nicht wesentlich beeinflusste, allgemeine Aufbraucherscheinungen der Lendenwirbelsäule. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 02.10.2003, in dem sie im Wesentlichen der Argumentation des Dr. T2 folgte, den Antrag des Klägers ab.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 07.10.2003 Widerspruch ein. Zur Begründung verwies er nochmals auf die von ihm geleistete Schwerstarbeit. Im Übrigen sei die bloße Tatsache, dass ein monosegmentaler Bandscheibenvorfall der Lendenwirbelsäule bei ihm vorliege nicht geeignet, die Anerkennung der BK 2108 auszuschließen. Im Übrigen seien auch die von der Beklagten vorgebrachten Schäden der Halswirbelsäule berufsbedingt.

Daraufhin leitete die Beklagten ein weiteres Überprüfungsverfahren betreffend eine Berufskrankheit der Halswirbelsäule gemäß Ziffer 2109 der Anlage zur BKVO. Die BK 2109 ist Gegenstand des Parallelverfahrens 5 13 (16) U 293/04.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16.12.2003 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers ...

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