Entscheidungsstichwort (Thema)

Risikostrukturausgleich. Bekanntmachungen des Bundesversicherungsamtes. Jahresausgleich 1997. Datenlage für 1997. Festsetzung des Ausgleichs. repräsentative Stichprobe. invalide Daten. Amtsermittlungspflicht. Berechnung der KVdR-Beiträge rechtmäßig. kein Verstoß gegen höherrangiges bzw internationales Recht. EG-Wettbewerbsrecht. Kartellrecht. Gesetzeseingriff. Wahrung der Proportionalität und Zumutbarkeit. kein Verstoß gegen Entscheidungsgrundsätze des BVerfG)

 

Orientierungssatz

1. Mit seinen Bekanntmachungen zum Risikostrukturausgleich (RSA) will das Bundesversicherungsamt (BVA) nicht das Rechtsverhältnis zu den gesetzlichen Krankenkassen iS einer Allgemeinverfügung nach § 31 S 2 SGB 10 regeln. Es soll vielmehr mitgeteilt werden, welche Werte für die Regelung des Einzelfalles - die einzelne RSA-Festsetzung - herangezogen werden. Insoweit handelt es sich lediglich um eine behördliche Mitteilung.

2. Das BVA war im Hinblick auf die Datenlage für 1997 nicht gehindert, den Ausgleich festzusetzen. Bei mehr als 70 Millionen gesetzlichen Krankenversicherten ist es praktisch ausgeschlossen, zu einem bestimmten Stichtag einen genauen Überblick über die im RSA relevanten Daten zu erhalten. Erst recht muss dies gelten, wenn statt einer Datenvollerhebung ein standardisiertes Leistungsbild ermittelt wird (§ 267 Abs 3 S 3 SGB 5). Allerdings müssen die Stichproben "repräsentativ" sein.

3. Ergibt sich aus der vom Gesetzgeber begrenzten Stichprobenanzahl der Verdacht, dass sie die Struktur der Gesamtheit nur im Rahmen einer größeren Unsicherheitsbandbreite widerspiegelt, so muss der Adressat der Regelung - hier der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung - dieses hinnehmen.

4. Die entsprechend der Vereinbarung vom 16.05.1997 gezogenen Stichproben gelten als repräsentativ iS des § 267 Abs 3 S 3 SGB 5, soweit nicht sonstige systematische Fehler im Stichprobenplan oder bei dessen Ausfüllung den Schluss angreifbar erscheinen lassen, dass die Stichproben ein tolerables Abbild der Grundgesamtheit sind.

5. Die Festsetzung des BVA wird nicht rechtswidrig, wenn in den Stichproben invalide Daten eingeflossen sind.

6. Zur Amtsermittlungspflicht des BVA aus § 20 SGB 10.

7. Das BVA hat die KVdR-Beiträge aus Renten rechtmäßig berechnet (§ 247 SGB 5).

8. Die Vorschriften des RSA verstoßen nicht gegen höherrangiges (internationales) Recht.

9. Der RSA ist keine Maßnahme, die das Einschränken oder gar Verhindern des Wettbewerbes bezweckt oder bewirkt.

10. Die Grenzen der Proportionalität und Zumutbarkeit für den Gesetzeseingriff in Art 2 Abs 1 GG sind gewahrt.

11. Der RSA verstößt nicht gegen Entscheidungsgrundsätze des Bundesverfassungsgerichts (vgl BVerfG vom 11.11.1999 - 2 BvF 2/98 = BVerfGE 101, 158 und BVerfG vom 22.6.1995 - 2 BvL 37/91 = BVerfGE 93, 121).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 24.01.2003; Aktenzeichen B 12 KR 19/01 R)

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 28.08.2001; Aktenzeichen L 5 KR 153/00)

 

Tatbestand

Mit den hier angefochtenen Bescheiden hat die Beklagte Ausgleichszahlungen aus dem sogenannten Risikostrukturausgleich (RSA) festgesetzt. Durch ihn soll die Beitragsbelastung der in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten angeglichen werden; die Versicherungen ihrerseits sollen gleiche Startchancen im neu eröffneten Wettbewerb untereinander erhalten.

Hintergrund ist folgender: Bereits mit dem Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen (Gesundheitsreformgesetz -- GRG -- am 01.01.1989 in Kraft getreten) war versucht worden, die finanzielle Leistungsfähigkeit des gesetzlichen Krankenversicherungssystems nachhaltig zu sichern. Schon vier Jahre später jedoch waren erneut umfassende gesetzliche Änderungen erforderlich, wobei die Bundesregierung auch in einer Strukturänderung der gesetzlichen Krankenkassen eine Möglichkeit sah, deren Probleme zu lösen (vgl. dazu BT-Drucksache 12/3209, 38). Insbesondere schienen die Beitragssatzunterschiede von seinerzeit zwischen 8 vom Hundert und nahezu 17 vom Hundert verfassungsrechtlich zweifelhaft. Deshalb sollte den gesetzlich Krankenversicherten ermöglicht werden, unter den Krankenkassen frei zu wählen. Allerdings konnten eine gleiche Wahlmöglichkeit der Versicherten und als Gegenstück dazu faire Wettbewerbsbedingungen unter den Krankenkassen nur realisiert werden, wenn die historisch gewachsenen Unterschiede in der Struktur der versicherten Risiken ausgeglichen würden. Durch sie waren insbesondere die Ortskrankenkassen (neben der Bundesknappschaft) unverhältnismäßig belastet, die nach § 226 Reichsversicherungsordnung (RVO) in der bis zum 31.12.1998 geltenden Fassung das Grundgefüge der gesetzlichen Krankenversicherung bildeten.

Im Entwurf des Gesetzes zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung (Gesundheitsstrukturgesetz -- GSG) der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP vom November 1992 (vgl. dazu BT-Drucksache 12/3608) wurden deshalb die bisherigen Finanzausgleiche bei überdurchschnittlichen Bedarfssätzen (§§ 266, 267 Buch V des Sozia...

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