nicht rechtskräftig

 

Tenor

Der Beklagten zu 9) wird untersagt, in Verbindung mit der Aufforderung, den Einsatz teurer Schrittinnovationen mit nicht gesichertem therapeutischen Zusatznutzen zu vermeiden, die durchschnittlichen Tagestherapiekosten für die arzneiliche Wirksubstanz R (Präparat B) unter Zugrundelegung einer mittleren Tagesdosis von 15 mg als über dem Durchschnitt liegend auszuweisen, insbesondere wenn dies wie im Kapitel 7 des Gemeinsamen Aktionsprogramms 1999 geschieht. Im übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Beklagte zu 9) trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin. Der Streitwert wird auf 500.000,00 EURO festgesetzt.

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Gemeinsamen Aktionsprogramms der Beklagten aus dem Jahre 1999.

Die Klägerin ist ein pharmazeutisches Unternehmen, das unter anderem unter dem Namen B ein Arzneimittel mit dem Wirkstoff R vertreibt. Bei diesem Arzneimittel handelt es sich um einen sogenannten ACE-Hemmer.

Die Beklagten zu 1) bis 8) sind Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen, die Beklagte zu 9) ist die Bundesorganisation der Kassenärztlichen Vereinigungen, denen alle Kassenärzte angehören. Die Beklagte zu 10) ist die obere Aufsichtsbehörde der Beklagten zu 1) bis 9).

Nachdem sich im Verlauf des Jahres 1999 abzeichnete, dass die Arznei- und Heilmittelbudgets des laufenden Jahres überschritten würden, wenn die Vertragsärzte ihr Verordnungsverhalten nicht änderten, erarbeitete die Beklagte zu 9) ein sogenanntes Notprogramm. Dieses Notprogramm war nach Auffassung der Beklagten zu 1) bis 8) und zu 10) rechtswidrig. Die Beklagte zu 10) versuchte zur Vermeidung aufsichtsrechtlicher Maßnahmen einen Konsens aller drei Beteiligten herbeizuführen. Resultat dieser Bemühungen war das von allen Beteiligten getragene "Gemeinsame Aktionsprogramm" (GAP), das am 16.09.1999 vorgestellt wurde. Kapitel 7 des GAP enthält unter der Überschrift "Vermeidung des Einsatzes teurer Schrittinnovationen mit nicht gesichertem therapeutischen Zusatznutzen" eine Klassifikation der Arzneimittel in vier Gruppen:

A. Neuartiger Wirkstoff/Wirkprinzip

B. Verbesserung pharmakologischer Qualitäten bereits bekannter Wirkprinzipien

C. Analogpräparate mit marginalen Unterschieden zu eingeführten Wirkstoffen.

D. nicht ausreichend gesichertes Therapieprinzip

Ferner wird ausgeführt, die Auswahl der zu verwendenden Substanz aus einer analogen Wirkstoffgruppe sei nicht nur medizinisch, sondern auch ökonomisch zu treffen. Es folgt eine nach Wirkstoffgruppen geordnete Liste, die die einzelnen Wirkstoffe einer Wirkstoffgruppe auf der Grundlage von durchschnittlichen Tagesdosen (DDD= defind daily dosis) in preislicher Hinsicht miteinander vergleicht. Die Ermittlung der durchschnittlichen Tagesdosen beruht auf statistischem Material der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Neben dem Wirkstoff steht dabei jeweils die Bezeichnung, unter der das Arzneimittel vertrieben wird. Dabei wird in Form eines Balkendiagramms die prozentuale Abweichung der Kosten vom Gruppendurchschnitt angegeben. Die dritte Gruppe betrifft die der ACE-Hemmer. Hier wird ein mittlerer DDD-Preis in Höhe von 1,08 DM ausgewiesen. Für das Medikament B mit dem Wirkstoff R weist das Balkendiagramm eine Abweichung des DDD-Preises um 50 % nach oben vom Gruppendurchschnitt aus. Als günstigsten Wirkstoff dieser Gruppe weist die Aufstellung den Wirkstoff Captopril mit den Medikamenten Lopirin und Tensobon aus, die danach den DDD-Preis um 25 % unterschreiten.

Entwickelt wurde die DDD-Klassifikation von der WHO für Studien über den Medikamentenverbrauch. Nach Ansicht der WHO ist die DDD-Klassifikation für Leitlinien zur Erstattungsfähigkeit, Preisbetrachtung oder Therapeutische Substitution nicht geeignet, da therapeutisch äquivalente Dosen sehr schwer zu bestimmen sind.

Das GAP wurde als Beilage zu Heft 39/1999 des Deutschen Ärzteblattes am 01.10.1999 verschickt. Als Herausgeberin ist die Beklagte zu 9) genannt. Daneben kann das Programm von der Internet-Homepage der Beklagten zu 9) und der Beklagten zu 1) heruntergeladen werden. Auch die Beklagte zu 10) sendet das Programm Interessierten auf Anfrage zu. Im Vorwort des Programms wird ausgeführt, dass es von entscheidender Bedeutung sei, seitens der Kassenärzte nachweisen zu können, alles getan zu haben, um Wirtschaftlichkeitsreserven auszuschöpfen. Dieser Nachweis gelinge nur dann, wenn das Aktionsprogramm ohne Abstriche umgesetzt werde.

Zwischen den Beteiligten dieses Verfahrens - wobei auf Seiten der Klägerin zusätzlich die H AG, C, eine Schwesterfirma der Klägerin beteiligt war - ist ein Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Köln (Az. S 19 KR 138/95) anhängig gewesen, in dem es um die Festbetragsfestsetzung für das Arzneimittel B ging. Durch Urteil vom 06.10.1997 hob das Sozialgericht Köln rechtskräftig die Festsetzung des Äquivalenzfaktors für R durch den Beigeladenen zu 1) des damaligen Verfahrens, den Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen auf. Dieser war zuvor mit 1,5 festgesetzt worden. Aufgrund des rech...

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