Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Vermögensberücksichtigung. Verwertbarkeit eines selbst genutzten Einfamilienhauses. Angemessenheitsmaßstab. durchschnittlicher Verkehrswert. verfassungskonforme Auslegung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Wohnfläche und die Grundstücksgröße sind keine geeigneten Kriterien zur Beurteilung der Frage, ob ein Einfamilienhaus angemessen iS von § 12 Abs 3 S 1 Nr 4 SGB 2 ist.

2. Die Angemessenheit eines selbst genutzten Einfamilienhauses richtet sich nach dem Verkehrswert.

3. Ein Einfamilienhaus ist kein verwertbares Vermögen, wenn es trotz seiner großen Wohnfläche einen Verkehrswert hat, der deutlich unter dem Durchschnitt liegt.

 

Orientierungssatz

Für die Prüfung der Angemessenheit eines selbst genutzten Hausgrundstückes ist ein durchschnittlicher Verkehrswert von bis zu 250.000 Euro als Grenze zu sehen.

 

Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 07.09.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2006 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Klägern Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende für den Zeitraum vom 01.10.2005 bis 31.03.2006 zu gewähren.

3. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Kläger zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) vom 01.10.2005 bis 31.03.2006.

Die am ... 1963 geborene Klägerin zu 1) ist Mutter des am ... 1993 geborenen Klägers zu 2), des am ... 1995 geborenen Klägers zu 3) und des am ... 2000 geborenen Klägers zu 4). Die Klägerin zu 1) war bis zur Scheidung am 29.04.2005 mit dem am ... 1961 geborenen F V verheiratet, die Eheleute lebten seit Juli 2003 getrennt.

Die Klägerin zu 1) und ihr Ehemann errichteten im Jahre 1991 in der Gemeinde L, die zur Verbandsgemeinde N und zum R-L-K gehört, ein Wohnhaus. Im Rahmen des Ehescheidungsverfahrens erstattete der Gutachterausschuss für Grundstückwerte für den Bereich des R-L-K zum Wertermittlungsstichtag 09.06.2004 ein Verkehrswertgutachten. Hierin wird die Grundstücksfläche mit 737 Quadratmetern, die Wohnfläche mit 197 Quadratmetern angegeben. Nach dem Verkehrswertgutachten handelt es sich um ein vollunterkellertes eingeschossiges Gebäude in massiver Bauweise mit ausgebautem Dachgeschoss. Zum Anwesen gehört weiterhin eine Garage. Der Gutachterausschuss errechnete einen Verkehrswert für das bebaute Grundstück von 184.000,00 €, wobei er u. a. auf der Basis der zum Stichtag 31.12.2003 ermittelten Bodenrichtwerte für den Bereich des Bewertungsobjekts einen Bodenrichtwert von 26,00 € je Quadratmeter zugrunde legte. Hieraus ergab sich unter Zugrundelegung der Grundstücksgröße ein Gesamtbodenwert von 19.162,00 €. Die Berechnung des vorläufigen Sachwertes ergab einen Betrag von 272.259,00 €, der Ertragswert wurde vom Gutachterausschuss mit 180.266,00 € errechnet. Unter Berücksichtigung von Baumängeln und Abzug eines Betrages von 25 % vom vorläufigen Sachwert ergab sich der errechnete Verkehrswert von 184.000,00 €. Im Rahmen des Scheidungsverfahrens übertrug der Ehemann der Klägerin zu 1) dieser seinen Grundstücksanteil, die Klägerin zu 1) zahlte ihm hierfür einen Betrag in Höhe von 30.000,00 € und übernahm noch offen stehende Verbindlichkeiten in Höhe von 118.000,00 €. Zur Finanzierung dieser Beträge gewährte der Bruder der Klägerin zu 1) dieser ein Darlehen, welches durch Eintragung einer Grundschuld in Höhe von 50.000,00 € dinglich abgesichert wurde. Das nunmehr im Alleineigentum der Klägerin zu 1) stehende Hausanwesen wurde weiterhin mit einer Grundschuld zu 100.000,00 € zugunsten eines Kreditinstitutes belastet, der zugrunde liegende Darlehensvertrag über 100.000,00 € wurde am 14.04.2005 abgeschlossen. Die Klägerin zu 1) zahlt hierfür seit 30.05.2005 monatliche Raten für Tilgung und Zinsen in Höhe von 550,00 €.

Mit Bescheiden vom 25.10.2004 und 01.12.2004 bewilligte die Beklagte den Klägern für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 30.06.2005 Leistungen in Höhe von 668,63 € monatlich, wobei ein errechneter Bedarf in Höhe von 1.529,02 € sowie ein Einkommen in Höhe von 860,39 € bestehend aus Kindergeld und Unterhalt berücksichtigt wurden.

Mit Bescheid vom 21.03.2005 bewilligte die Beklagte den Klägern Leistungen für den Zeitraum vom 01.04.2005 bis 30.09.2005 wiederum in Höhe von 668,63 €. Dieser Bescheid enthielt den Hinweis, dass die Leistungen für Unterkunft und Heizung nicht angemessen seien. Die Kläger wurden aufgefordert, bis zum 30.09.2005 die Kosten der Unterkunft zu reduzieren und über ihre Bemühungen entsprechend nachprüfbare Nachweise vorzulegen. Als angemessene Kosten der Unterkunft könnten bis zu 85 Quadratmeter, 340,00 € Kaltmiete inklusive Nebenkosten sowie 40,60 € Heizkosten anerkannt werden.

Am 15.08.2005 beantragten die Kläger die Weitergewährung der Leistungen für den Zeitraum ab 01.10.2005. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 07.09.2005 ab und führte zur Begründung aus, Leistungen der Grundsicherung für Ar...

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