Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten. Stiefelterneigenschaft. auf Dauer angelegte nichteheliche Lebensgemeinschaft

 

Leitsatz (amtlich)

Für die Eigenschaft als Stiefelternteil ist die Eheschließung mit dem leiblichen Elternteil nicht erforderlich. Auch in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft kann eine Stiefelterneigenschaft zu den leiblichen Kindern des Lebenspartners bestehen.

 

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 31.03.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.11.2005 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, im Versicherungsverlauf der Klägerin weitere Berücksichtigungszeiten für die Erziehung der Kinder CN. A. vom 01.05.1980 bis 03.10.1985 und ME. A. vom 01.05.1980 bis 10.10.1982 festzustellen.

Die Beklagte hat der Klägerin ihre Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten und Kinderberücksichtigungszeiten für die Erziehung der leiblichen Kinder ihres Ehemannes vor der Eheschließung.

Die Klägerin ist geboren 1952. Seit dem 04.10.1985 ist die Klägerin verheiratet mit dem Zeugen H. A.. Aus dessen früherer Ehe mit Frau I. SX. sind die Kinder ME. (geboren 1972) und CN. (geboren 1996) hervorgegangen. Am 04.10.1985 schloss die Klägerin mit dem Zeugen H. A. die Ehe. Ein gemeinsamer Haushalt der Eheleute bestand jedoch bereits seit dem 01.05.1980. Vom 1.5.1980 bis zum 03.10.1985 lebten die späteren Eheleute in nichtehelicher Lebensgemeinschaft gemeinsam mit beiden Kindern aus der geschiedenen Ehe des Zeugen.

Mit ihrem Antrag vom 16.12.2003 begehrte die Klägerin die Überprüfung der Kindererziehungszeiten für die Kinder ihres Ehemannes H. A., der im Antragsformular mit Unterschrift vom 07.10.2004 bestätigte, dass die Angaben der Klägerin zur überwiegenden Erziehung seiner Kinder durch sie den tatsächlichen Verhältnissen entsprächen. Mit ihrem Antrag begehrte die Klägerin die Berücksichtigung von Kindererziehungs- bzw. Kinderberücksichtigungszeiten für ME. und CN.. Diese habe sie in einem gemeinsamen Haushalt mit ihrem späteren Ehemann seit dem 01.05.1980 betreut und erzogen.

Mit Bescheid vom 31.03.2005 stellte die Beklagte eine Kinderberücksichtigungszeit der Klägerin für das leibliche Kind CN. ihres Ehemannes für die Zeit vom 04.10.1985 - 30.06.1986 fest. Im Übrigen könnten weder für CN. noch für ME. Kindererziehungs- bzw. -berücksichtigungszeiten vor dem 04.10.1985 berücksichtigt werden, weil die Stiefkinder der Klägerin (CN. und ME.) vor diesem Zeitpunkt noch nicht im Haushalt aufgenommen worden seien. Mit ihrem hiergegen erhobenen Widerspruch vom 28.04.2005 machte die Klägerin geltend, sie habe die Kinder ihres Ehemannes bereits seit dem 22.08.1979 bis zu ihrer Volljährigkeit betreut. Vor der Heirat am 04.10.1985 habe eine eheähnliche Gemeinschaft mit ihrem Ehemann bestanden. Die Beklagte erteilte der Klägerin darauf hin den Hinweis, dass für die Stiefkindeigenschaft lediglich die Zeit nach der Eheschließung von Bedeutung sei.

Nach den weiteren Ermittlungen der Beklagten war nach dem ihr vorliegenden Scheidungsurteil die Ehe zwischen Frau I. A. (nunmehr: SX.) und Herrn H. A., dem Zeugen und Ehemann der Klägerin, am 03.03.1980 geschieden worden. Das Amtsgericht Eschwege teilte der Beklagten auf ihre Anfrage mit Schreiben vom 20.07.2005 mit, die alleinige elterliche Sorge für die Kinder ME. und CN. sei anlässlich der Scheidung auf H. A. übertragen worden. Die Beklagte stellte ferner fest, dass im Versicherungskonto der Kindesmutter für die Kinder ME. und CN. Kindererziehungszeiten und Kinderberücksichtigungszeiten voll angerechnet worden seien, obwohl nach Aktenlage die Kinder seit dem 01.08.1979 nicht mehr von der Mutter der Kinder erzogen worden seien. Auf eine entsprechende Anfrage der Beklagten vom 14.07.2005 antwortete die Mutter der Kinder nicht. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.11.2005 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Kindererziehungszeiten seien Zeiten der Erziehung eines Kindes in dessen ersten drei Lebensjahren (§ 56 Sozialgesetzbuch - SGB - VI); nach § 57 SGB VI seien Kinderberücksichtigungszeiten möglich. Als erziehende Elternteile kämen auch Stiefmütter und Stiefväter im Sinne des § 56 Abs. 3 Nr. 2 SGB I in Betracht. Nach allgemeinem Sprachgebrauch sei ein Stiefkind jedes in eine Ehe eingebrachte Kind des anderen Ehegatten. Die Klägerin habe jedoch erst am 04.10.1985 die Ehe mit dem Kindesvater geschlossen, sodass Kinderberücksichtigungszeiten erst ab dem Tag der Eheschließung anerkannt werden könnten. Für den Zeitraum vor dem 04.10.1985 seien daher Kinderberücksichtigungs- bzw. -erziehungszeiten nicht anzuerkennen.

Hiergegen richtet sich die am 16.12.2005 zum Sozialgericht Kassel erhobene Klage.

Die Klägerin trägt vor, sie habe am 01.05.1980 ihre berufliche Tätigkeit in vollem Umfange aufgegeben, um die Kinder ihres späteren Ehemannes ME. und CN. zu erziehen. Die Erziehung sei ab diesem Zeitpunkt durch sie erfolgt. Seit dieser Zeit habe...

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