Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Bestimmung der angemessenen Gebühr. Betragsrahmengebühr. Koppelung der Höhe der fiktiven Terminsgebühr an Höhe der Verfahrensgebühr. Maßstab für die Bedeutung der Angelegenheit. Geltung des Grundsatzes ne ultra petita

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Höhe der fiktiven Terminsgebühr in sozialgerichtlichen Verfahren, in denen Betragsrahmengebühren anfallen, ist an die Höhe der Verfahrensgebühr zu koppeln.

2. Die Bedeutung der Angelegenheit im Sinne von § 14 Abs. 1 S. 1 RVG ist anhand objektiver Kriterien zu bestimmen. Subjektive Empfindungen und Wertungen des Klägers sind nicht zu berücksichtigen.

3. In sozialgerichtlichen Kostenverfahren, in denen Betragsrahmengebühren streitig sind, ist es dem Urkundsbeamten und dem Gericht verwehrt, über den beantragten Betrag für die jeweilige Gebühr hinauszugehen.

4. Der Grundsatz des § 308 Abs. 1 ZPO, wonach der Entscheidungsumfang durch den Antrag begrenzt wird, ist in sozialgerichtlichen Kostenverfahren, in denen Betragsrahmengebühren streitig sind, auf die einzelne Gebühr anzuwenden.

 

Tenor

1. Auf die Erinnerung vom 16. Februar 2012 wird die Vergütungsfestsetzung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 07. Februar 2012 für das Verfahren S 4 AS 1067/10 geändert und die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung auf 440,30 Euro festgesetzt.

2. Die weitergehende Erinnerung wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Höhe der im Rahmen des vor dem Sozialgericht Kassel geführten Verfahrens S 4 AS 1067/10 aus der Staatskasse zu gewährenden Gebühren und Auslagen. Umstritten ist insbesondere die Höhe der Verfahrens- sowie der Terminsgebühr.

Das Ausgangsverfahren endete nach dreimonatiger Verfahrenslaufzeit mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid. Gegenstand des Verfahrens waren einmalige Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 359,85 €. Gegen die Entscheidung wurde Nichtzulassungsbeschwerde erhoben, welche zurückgewiesen wurde. Prozesskostenhilfe wurde für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren abgelehnt.

Nach Abschluss des Verfahrens beantragte der Erinnerungsführer am 06. Februar 2012 die Festsetzung folgender Gebühren:

Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV RVG

275,00 Euro

Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG

150,00 Euro

Pauschale für Post und Telekommunikation, Nr. 7002 VV RVG

 20,00 Euro

Zwischensumme:

445,00 Euro

19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG

 84,55 Euro

Gesamt:

529,55 Euro

Unter Bezugnahme auf die Bedeutung des Rechtsstreits für den Kläger und das dem Anwalt eingeräumte Ermessen sei eine Anhebung der Verfahrensgebühr um 10 % über die Mittelgebühr vorzunehmen gewesen. Auch die Terminsgebühr sei angemessen zu erhöhen gewesen, wobei diese unterhalb der Mittelgebühr bleibe. Insgesamt sei das Verfahren für den Kläger von überdurchschnittlicher Bedeutung gewesen, was sich insbesondere dadurch zeige, dass er Nichtzulassungsbeschwerde erhoben habe.

Mit der hier angegriffenen Vergütungsfestsetzung vom 07. Februar 2012 setzte die Urkundsbeamtin die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen wie folgt fest:

Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV RVG

200,00 Euro

Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG

100,00 Euro

Pauschale für Post und Telekommunikation, Nr. 7002 VV RVG

 20,00 Euro

Zwischensumme:

320,00 Euro

19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG

 60,80 Euro

Gesamt:

380,80 Euro

Zur Begründung führte die Urkundsbeamtin aus, dass es sich um ein, im Hinblick auf die Verfahrenslaufzeit, unterdurchschnittliches Verfahren gehandelt habe, so dass bei der Verfahrensgebühr die Mittelgebühr um 20 % auf insgesamt 200,-- € zu reduzieren sei.

Im Hinblick auf die fiktive Terminsgebühr führte die Urkundsbeamtin aus, dass bei der Bemessung der Vergütung der Sinn und Zweck des RVG zu beachten sei. Insoweit solle der sachgerechte Aufwand des Bevollmächtigten ausgeglichen werden. Bei einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid sei dieser Aufwand - im Vergleich zu einer Entscheidung im Termin - stark reduziert, so dass eine Terminsgebühr in Höhe von 100,-- € angemessen sei.

Am 16. Februar 2012 hat der Erinnerungsführer gegen die Vergütungsfestsetzung Erinnerung eingelegt. Er hält die beantragten Gebühren weiterhin für angemessen.

Für die Staatskasse hat der Bezirksrevisor beim Hessischen Landessozialgericht Stellung genommen. Er hält die Vergütungsfestsetzung für rechtmäßig. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben des Bezirksrevisors vom 09. März 2012 Bezug genommen.

Die Urkundsbeamtin hat der Erinnerung nicht abgeholfen und sie der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Akten des Verfahrens S 4 AS 1067/10 Bezug genommen.

II.

Die gem. § 56 Abs. 1 RVG statthafte Erinnerung ist zulässig und im tenorierten Umfang begründet.

Die angegriffene Vergütungsfestsetzung ist teilweise rechtswidrig. Der Erinnerungsführer hat Anspruch auf Vergütung in Höhe von 440,30 €.

Gem. § 3 Abs. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichte...

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