Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Wegeunfall. Heilbehandlung. beschädigtes Hilfsmittel. Lesebrille in der Handtasche

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Gesundheitsschaden durch die Beschädigung eines Hilfsmittels liegt nicht vor, wenn der Versicherte das Hilfsmittel im Unfallzeitpunkt nicht in funktionsgemäßer Verwendung an oder in seinem Körper trägt. Das bloße Mitführen eines Hilfsmittels außerhalb des Körpers reicht insoweit nicht aus.

Offen bleibt, ob es ausnahmsweise ausreicht, wenn das Hilfsmittel - ohne in Funktion zu sein - zum alsbaldigen Einsatz unmittelbar am Körper getragen und dabei durch äußere Einwirkung beschädigt oder zerstört wird.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Berufung wird nicht zuglassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung von Kosten für eine zerbrochene Brille in Höhe von 331,20 € aus Mitteln der gesetzlichen Unfallversicherung.

Die 1961 geborene Klägerin ist seit März 2011 als Einkäuferin bei der Fa. D. GmbH & Co. KG, G., beschäftigt. Am 12.12.2012 rutschte sie nach Beendigung ihrer Arbeitsschicht auf dem Weg zu ihrem PKW auf einer vereisten Fläche aus. Dabei fiel sie auf ihre Handtasche, in welcher sich in einem Etui ihre Lesebrille befand. Hierdurch zerbrach die Brille. Für deren Ersatzbeschaffung waren 331,20 € erforderlich (vgl. Rechnung der Fa. Optik G., C., vom 11.01.2013).

Auf die Unfallanzeige des Arbeitgebers der Klägerin vom 28.01.2013 lehnte die Beklagte die Erstattung der Kosten für die Ersatzbeschaffung der Lesebrille mit der Begründung ab, eine solche komme nur in Betracht, wenn der Versicherte das Hilfsmittel im Unfallzeitpunkt bestimmungsgemäß am Körper verwendet, d.h. getragen, oder zumindest zu jederzeitigen Benutzung, z.B. umgehängt, habe. Diese Voraussetzungen seien bei der Aufbewahrung des Hilfsmittels in einer Tasche nicht erfüllt (Schreiben vom 30.01.2013).

Zur Begründung ihres dagegen erhobenen Widerspruchs trug die Klägerin im Wesentlichen vor, sie habe ihre Lesebrille zum Unfallzeitpunkt zwar nicht bestimmungsgemäß “im Gesicht„ getragen. Durch die Aufbewahrung der Brille in einem Etui in ihrer Handtasche habe sie die Lesebrille, die sie beruflich benötige, jedoch jederzeit bestimmungsgemäß einsetzen können. Dies reiche für die Begründung eines Erstattungsanspruchs gegen den Unfallversicherungsträger aus. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 13.09.2013).

Deswegen hat die Klägerin am 07.10.2013 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgt. Zur Begründung wiederholt sie im Wesentlichen ihr Widerspruchsvorbringen. Ergänzend trägt sie vor, für den Erstattungsanspruch sei eine unfallbedingte Beschädigung des Hilfsmittels nicht notwendigerweise “bei der Benutzung„ erforderlich. Die gegenteilige restriktive Auslegung der Beklagten stehe im Widerspruch zur herrschenden Literaturmeinung. Hätte sie die Lesebrille in ihrer Jackentasche getragen, hätte die Beklagte diese ersetzt. Nichts anderes könne gelten, wenn ein Versicherter die Brille - wie vorliegend - zum Unfallzeitpunkt in einer Handtasche mit sich geführt habe.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 30. Januar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. September 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten für die Ersatzbeschaffung der Lesebrille in Höhe von 331,20 € aus Mitteln der gesetzlichen Unfallversicherung zu erstatten,

hilfsweise, die Berufung zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie erachtet die angefochtenen Bescheide für zutreffend.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakte der Beklagten sowie den der Prozessakte Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

1. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4, § 56 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫) zulässig. Sie ist insbesondere statthaft, weil die Klägerin mit ihr die Aufhebung von Verwaltungsakten verfolgt. Das Schreiben der Beklagten vom 30.01.2013 ist ein Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Satz 1 des Sozialgesetzbuchs - Verwaltungsverfahren - (SGB X). Denn bei verständiger Würdigung des Inhalts dieses Schreibens hat die Beklagte durch Ablehnung der Erstattung der Kosten für die Ersatzbeschaffung der Lesebrille der Klägerin eine Regelung im Sinne einer verbindlichen Rechtsfolge getroffen. Dass dieses Schreiben keine Rechtsbehelfsbelehrung beinhaltete, steht seinem Charakter als Verwaltungsakt nicht entgegen, sondern führte vorliegend allein dazu, dass die Widerspruchsfrist von einem Monat seit Bekanntgabe des Bescheides (§ 84 Abs. 1 Satz 1 SGG) nicht zu laufen begann, sondern die Klägerin Widerspruch innerhalb eines Jahres einlegen konnte (§ 66 Abs. 1 und 2 SGG).

2. Die Klage ist indes unbegründet. Denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Die Kläg...

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