Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Zuschuss zu den Versicherungsbeiträgen der privaten Kranken- und Pflegeversicherung. keine Übernahme von Behandlungskosten durch vereinbarten Selbstbehalt. kein Mehrbedarf gem § 21 Abs 6 SGB 2. kein Anspruch nach § 73 SGB 12

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der mit dem privaten Krankenversicherungsunternehmen vereinbarte Selbstbehalt an den Behandlungskosten ist durch den Grundsicherungsträger nicht zu übernehmen.

2. § 26 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB II ist schon seinem Wortlaut nach nicht einschlägig, da hiernach nur ein Zuschuss zu den Versicherungs-"Beiträgen" durch den Grundsicherungsträger zu gewähren ist.

3. Ein unabweisbarer Mehrbedarf im Sinne von § 21 Abs 6 SGB II kommt nach der Rechtsprechung des BSG (vgl Urteil vom 29.4.2015 - B 14 AS 8/14 R = SozR 4-4200 § 21 Nr 22) nur dann in Betracht, wenn eine entsprechende Beratung durch den Grundsicherungsträger im Hinblick auf die Möglichkeit des Wechsels in den Basistarif unterblieben ist.

4. § 73 S 1 SGB XII kommt als Anspruchsgrundlage nicht in Betracht, da im SGB II eine Rechtsgrundlage vorhanden ist.

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Beklagte erstattet der Klägerin die Hälfte der Kosten im Widerspruchsverfahren. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Im Streit stehen höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) unter Berücksichtigung der tatsächlichen Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung unter Berücksichtigung eines von der Klägerin zu tragenden Eigenanteils in Höhe von 1.700,00 € jährlich.

Die am 26.03.1955 geborene Klägerin war bis zu ihrer Krebserkrankung selbstständig als Online-Buchhändlerin tätig. Sie ist privat krankenversichert. Im Jahr 2013 betrug der monatliche Beitrag zu ihrer privaten Krankenversicherung 252,77 €, derjenige zur privaten Pflegeversicherung 37,34 €. Hinzukam ein einmal jährlich auf die Kosten der Behandlungen entfallender Eigenanteil in Höhe von 1.200,00 €. Zum 01.01.2014 betrug der monatliche Beitrag zur privaten Krankenversicherung 246,76 € zuzüglich 37,34 € für die Pflegeversicherung. Der Eigenanteil erhöhte sich auf 1.700,00 €.

Am 16.05.2013 beantragte die Klägerin aufstockend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Berücksichtigung eines Zuschusses zu den Beiträgen zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung beim Jobcenter des Landkreise Karlsruhe (JC).

Mit Bescheid vom 10.07.2013 bewilligte das JC aufgrund des noch ungeklärten Einkommens aus der selbstständigen Tätigkeit vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 01.05.2013 bis zum 31.10.2013 in Höhe von 736,47 € unter Einschluss des Zuschusses zur privaten Krankenversicherung in Höhe von 252,77 € und zur privaten Pflegeversicherung in Höhe von 37,34 €.

Auf ihren Weiterbewilligungsantrag vom 01.10.2013 wurden ihr wiederum vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 01.11.2013 bis zum 30.04.2014 in Höhe von 736,47 € bewilligt. Darin enthalten waren Zuschüsse zu den Beiträgen zur privaten Krankenversicherung in Höhe von 252,77 € und zur privaten Pflegeversicherung in Höhe von 37,34 €.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 19.11.2013 Widerspruch. Unter anderem bemängelte sie, dass die von ihr monatlich zu tragenden Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung unter anteiliger Berücksichtigung des Selbstbehalts nicht in voller Höhe berücksichtigt worden seien. Diese würden monatlich 390,11 € betragen.

Laut einer internen Email des JC (Verwaltungsaktenseite 365) fand am 20.01.2014 ein Telefongespräch mit der Klägerin statt. In diesem Telefonat sei unter anderem das Thema der Beiträge zur privaten Krankenversicherung thematisiert worden. Die Klägerin habe in diesem Gespräch mitgeteilt, dass sie einen Krankenversicherungstarif gewählt habe, der es ihr ermögliche, die monatlichen Beiträge auch mit ihrem nur geringen Einkommen aus der selbstständigen Tätigkeit zu bezahlen. Dafür müsse sie jedoch, trotz basistarifähnlicher Leistungen, jährlich Behandlungskosten in Höhe von 1.700,00 € selbst bezahlen. Trotz ihrer Erkrankung hoffe sie, ihren Lebensunterhalt irgendwann ohne öffentliche Leistungen bestreiten zu können. Deswegen lehne sie es ab, in den Basistarif ohne Eigenleistung zu wechseln. Sie befürchte, nach dem Ende des Alg II-Bezuges den vollen Basistarif von circa 600,00 € monatlich nicht aufbringen zu können. Es wurde ihr die Klärung zugesagt, ob zumindest die Differenz zwischen dem von ihr aufzubringenden Beitrag und dem vom JC im Rahmen der Leistungsgewährung anzuerkennenden hälftigen Basistarif zur teilweisen Deckung des Selbstbehaltes gewährt werden könne.

Mit Bescheid vom 04.02.2014 wurden die Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.05.2013 bis zum 31.08.2013 endgültig festgesetzt. Dabei wurde ein Zuschuss zur privaten Krankenversicherung in Höhe des hälftigen Basistarifs, der im Jahr 2013 305,16 € betrug, berücksichtigt. Der Zusch...

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