Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit eines Darlehensvertrages. Vorliegen eines öffentlich-rechtlichen Vergleichsvertrages. gegenseitiges Nachgeben. Sozialhilfe. Vermögenseinsatz. Leistungsgewährung als Darlehen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die darlehensweise Gewährung von Sozialhilfe in Fällen des § 91 S 1 SGB 12 kann durch Verwaltungsakt oder aufgrund öffentlich-rechtlichen Vertrags erfolgen.

2. Ein öffentlich-rechtlicher Vergleichsvertrag setzt ein gegenseitiges Nachgeben der Vertragsparteien voraus (§ 54 Abs 1 S 1 SGB 10). Nachgeben in diesem Sinne ist jedes Abrücken von dem im Verfahren erreichbaren günstigsten Ergebnis oder einer ursprünglich angestrebten Position.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Rechtswirksamkeit des zwischen ihnen am 21.11.2007 geschlossenen Darlehensvertrages umstritten.

Die 1954 geborene Klägerin ist dauerhaft voll erwerbsgemindert (Bescheid der vormaligen Landesversicherungsanstalt X vom 11.11.2003) und anerkannte Schwerbehinderte (vgl. Schwerbehindertenausweis des früheren Versorgungsamts K. vom 14.01.2003). Sie bezieht von der Beklagten seit dem 01.10.2005 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuchs - Sozialhilfe - (SGB XII). Im Erstantrag vom Oktober 2003 verneinte die Klägerin das Vorhandensein von Hauseigentum und Lebensversicherungen. In den Weiterbewilligungsanträgen vom 17.08.2006 und vom 05.09.2007 gab sie u.a. an, gegenüber ihrem letzten Antrag seien keine Änderungen eingetreten.

Im August 2007 unterrichtete der geschiedene Ehemann der Klägerin die Beklagte darüber, die Klägerin sei neben ihm Miteigentümerin zu 1/2 an dem Grundstück Flurstück-Nr. .../1, E.-ring ..., in N.. Dieses Grundstück ist mit einem 3-Familien-Haus bebaut. Nach dem Gutachten des Bürgermeisteramts N. vom 27.04.2000 betrug der Verkehrswert des Anwesens zum 31.08.1999 474.998,00 DM (= 242.862,00 €). Das Grundstück war zunächst belastet mit vier Grundschulden zu Gunsten der ehemaligen Landesgirokasse S. und der Landeskreditbank B.. Die diesen Grundschulden zugrunde liegenden Darlehen valutierten zum 01.07.2007 mit 3.060,35 €, 44.134,07 €, 41.932,97 €, 6.051,59 € (vgl. Auskunft der L-Bank vom 03.09.2007) und weiteren 28.317,90 € (per 06.09.2007; vgl. Auskunft der B-Bank vom selben Tag), insgesamt mithin in Höhe von 123.497,49 €. Als Tilgungsersatz für das bei der B-Bank bestehende Darlehen hatten die vormaligen Eheleute zwei Kapitallebensversicherungen an diese abgetreten.

Die Beklagte hielt eine sofortige Verwertung des Miteigentumsanteils durch die Klägerin nicht für möglich. Da außerdem den Beteiligten der konkrete Wert des Grundvermögens nicht bekannt war, schlossen sie am 21.11.2007 einen Vertrag, demzufolge die Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII für die Zeit ab dem 01.10.2005 laufend bis auf Weiteres (§ 1) als Darlehen erfolgte. Außerdem verpflichtete sich die Klägerin, zur Sicherung des Anspruchs der Beklagten auf Darlehenstilgung eine Buchgrundschuld über 32.000,00 € zu bestellen (§ 5). Die Dauer des Darlehens war auf zehn Jahre ausgelegt (vgl. Schreiben der Beklagten vom 31.10.2007). Die Eintragung der Buchgrundschuld auf dem Miteigentumsanteil der Klägerin erfolgte am 16.07.2008, nachdem am 11. und 21.01.2008 zwischenzeitlich weitere Buchgrundschulden auf dem Miteigentumsanteil ihres geschiedenen Ehemanns eingetragen waren (vgl. Grundbuchauszug des Grundbuchamts E. vom 26.02.2008).

Am 02.11.2012 hat die Klägerin beim Sozialgericht Karlsruhe Klage erhoben mit dem Begehren, die Unwirksamkeit des Darlehensvertrages vom 21.11.2007 festzustellen. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, die darlehensweise Gewährung von Sozialhilfeleistungen sei unzulässig, weil zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses im November 2007 die Erbringung der Grundsicherungsleistungen an sie nicht im Ermessen der Beklagten gestanden habe. Denn ihr Miteigentumsanteil am Hausgrundstück habe kein verwertbares Vermögen dargestellt. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei Vermögen generell unverwertbar, wenn völlig ungewiss sei, wann eine für die Verwertung notwendige Bedingung eintrete (Hinweis auf BSG vom 25.08.2011 - B 8 SO 19/10 R -). Ihr geschiedener Ehemann habe sich bisher beharrlich geweigert, einem Verkauf des Grundstücks zuzustimmen. Auch eine Verwertung im Wege der Teilungsversteigerung sei von Anfang an völlig ungewiss gewesen, nachdem sie zu keinem Zeitpunkt über die für eine Antragsstellung auf Durchführung der Teilungsversteigerung erforderlichen finanziellen Mittel verfügt habe. Der damalige Vertreter der Beklagten habe ihr außerdem mit einer Strafanzeige wegen Sozialhilfebetruges gedroht und sie dadurch zur Unterzeichnung des Darlehensvertrages genötigt.

Die Klägerin beantragt - teilweise sinngemäß -,

die Unwirksamkeit des Darlehensvertrags vom 21. November 2007 festzustellen.

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