Entscheidungsstichwort (Thema)

sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsgebühren. fiktive Terminsgebühr. Voraussetzung. Höhe. Mindestgebühr

 

Orientierungssatz

1. Die Voraussetzungen der Terminsgebühr nach Ziffer 3106 VV-RVG (§ 2 Abs 1 S 1 Anl 1 Nr 3106 RVG) sind auch dann erfüllt, wenn die Erledigungserklärung der Antragsgegnerin bzw Beklagten einem Anerkenntnis gleichzusetzen ist. Dies ist dann der Fall, wenn die mit dem Antrag verfolgte Forderung während des laufenden Rechtsstreits erfüllt wird und der Beklagte deshalb der Erledigung des Rechtsstreits zugestimmt hat.

2. Zur Festlegung der Höhe der fiktiven Terminsgebühr nach Ziffer 3106-VV Nr 3 RVG (§ 2 Abs 1 S 1 Anl 1 Nr 3106 RVG).

 

Tenor

In Abänderung des Beschlusses des Urkundsbeamten des Sozialgerichts Hannover vom 07. September 2005 werden die den Erinnerungsführern zu erstattenden Kosten auf 359,60 Euro festgesetzt. Dieser Betrag ist ab dem 29. Juni 2005 mit 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz zu verzinsen.

 

Gründe

Die Erinnerung ist nach § 56 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) zulässig, jedoch nur zum Teil begründet.

Die von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle festgesetzte Verfahrensgebühr ist in ihrer Höhe nicht zu beanstanden. Er hat die in § 14 RVG aufgeführten Kriterien berücksichtigt und rechtsfehlerfrei berücksichtigt. Insbesondere seine Ausführungen zu dem Umfang der anwaltlichen Tätigkeit, den Einkommens- und Vermögensverhältnissen sowie der Bedeutung des Verfahrens folgt das Gericht uneingeschränkt. Aus seine Schlussfolgerung, die Gebühr sei nach alldem auf 240,00 Euro festzusetzen, ist in keiner Weise zu beanstanden.

Bei diesem Betrag hat der Urkundsbeamte die nach der Nr. 1008 VV RVG gebotene Erhöhung um 90 % bereits berücksichtigt.

Hinzuzusetzen ist indes die Terminsgebühr nach Ziffer 3106 VV RVG in Höhe von 50,00 Euro.

Die Terminsgebühr nach Ziffer 3106 Nr. 3 VV entsteht, wenn das Verfahren nach angenommenen Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet.

Die Voraussetzungen dieser Ziffer sind auch erfüllt, wenn die Erledigungserklärung der Antragsgegnerin bzw. Beklagten einem Anerkenntnis gleichzusetzen ist. Dies ist dann der Fall, wenn die mit dem Antrag verfolgte Forderung während des laufenden Rechtsstreits erfüllt wird und der Beklagte deshalb der Erledigung des Rechtsstreits zugestimmt hat. Hier ist die Interessenlage mit derjenigen eines angenommenen Anerkenntnisses genau gleich. Denn Erledigungserklärungen, mit denen der Klageanspruch anerkannt wird, sind zur Vermeidung von konstruierten Umgehungen gegenüber eindeutigen Anerkenntnissen gebührenrechtlich nicht unterschiedlich zu behandeln. Unerheblich ist, gemäß welcher Erledigungsart der Rechtsstreit statistisch ausgetragen worden ist.

Bei der Festlegung der Höhe der Gebühr muss immer eine Gesamtabwägung der in § 14 Abs. 1 RVG genannten Kriterien stattfinden. Ausgangspunkt für den Aufwand der fiktiven Terminswahrnehmung ist zunächst die Mittelgebühr nach Ziffer 3106 VV. Ein Toleranzrahmen besteht auch hier nur dann, wenn Gesichtspunkte für eine Einordnung über beziehungsweise unter dem Durchschnitt vorliegen. Gründe für eine über- oder unterdurchschnittliche Einordnung müssen ausdrücklich festgestellt werden. Von besonderer Bedeutung sind auch hier Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, die sich in solchen Fällen nur abstrakt bestimmen lassen. Durch die Regelung soll verhindert werden, dass gerichtliche Termine allein zur Wahrung des Gebührenanspruchs stattfinden müssen; sie bietet einen Anreiz für den Rechtsanwalt, auf die Durchführung des Termins zu verzichten. Die Anwendung der Grundsätze des § 14 RVG auf die "fiktive" Terminsgebühr nach Ziffer 3106 Nr. 1 bis 3 VV RVG ist mit dem Problem behaftet, dass ein Termin tatsächlich nicht stattgefunden hat und dessen Schwierigkeit und Aufwand für den Prozessbevollmächtigten damit nicht bewertet werden können. Die Kammer stellt daher auf den hypothetischen Aufwand ab, der bei Durchführung eines Termins im konkreten Verfahrensstadium voraussichtlich entstanden wäre. Somit ist eine fiktive Vergleichsbetrachtung anzustellen, in welcher Höhe ein Gebührenanspruch voraussichtlich entstanden wäre, wenn ein Termin stattgefunden hätte. Hierbei ist es legitim, aufgrund etwaigen geringeren Aufwands für den Rechtsanwalt diese Vergleichsberechnung bei der Festsetzung nach unten zu korrigieren, etwa auf 2/3 des Betrages, der bei Wahrnehmung eines Termins voraussichtlich angefallen wäre.

Bei der fiktiven Terminsgebühr nach Ziffer 3106 Nr. 3 VV RVG - also bei Erledigung durch angenommenes Anerkenntnis - besteht die Besonderheit, dass ein Anerkenntnis vorliegt, das im (hypothetischen) Termin lediglich noch der Annahme bedarf. Bestehen also keine Hinweise darauf, dass der Annahme des Anerkenntnisses tatsächliche oder rechtliche Probleme entgegen stehen, entstünde die Terminsgebühr auch im Falle der tatsächlichen Durchführung eines - regelmäßig sehr einfach gelagerten - "Annahmetermins" lediglich im Bereich der Mindestgebühr. Dies folgt ...

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