Entscheidungsstichwort (Thema)

Genehmigungsfiktion eines Leistungsantrags des Versicherten bei nicht fristgerechter Bescheidung durch die Krankenkasse

 

Orientierungssatz

1. Voraussetzung der Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a SGB 5 ist ein hinreichend bestimmter Leistungsantrag des Versicherten, der die beantragte Leistung für erforderlich halten durfte und diese nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung liegt, wenn die Krankenkasse den Antrag nicht fristgerecht beschieden hat.

2. Die Fiktion begründet einen Naturalleistungsanspruch bzw. einen Kostenerstattungsanspruch zugunsten des Versicherten. Diese Auslegung berücksichtigt auch diejenigen Versicherten, welche die begehrte Leistung nicht vorfinanzieren und sich die Leistung deshalb nicht selbst beschaffen können.

 

Tenor

1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 10.12.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.03.2016 verurteilt, den Kläger mit einem Bodylift nach L. als Sachleistung zu versorgen.

2. Die Beklagte erstattet die außergerichtlichen Kosten des Klägers.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Versorgung mit einem Bodylift im Rahmen einer stationären Behandlung.

Der 1958 geborene, bei der Beklagten versicherte Kläger unterzog sich im April 2014 einer Magenbypass-Operation. Am 28.10.2014 stellte er unter Vorlage einer Fotodokumentation sowie einer Krankenhausverordnung vom 25.09.2014 und eines Arztbriefes vom 22.10.2014 von Prof. Dr. H. persönlich einen Antrag auf Kostenübernahme eines Bodylifts nach L.. Als Diagnose ist eine drastische Gewichtsabnahme mit Haut-Subcutisüberschüssen abdominal und gluteal, mit rezidivierenden intertriginösen Dermatiden und funktioneller Einschränkung (beim Sitzen durch massive Faltenbildung) genannt.

Die Beklagte beteiligte den MDK, der in seiner Stellungnahme von Dr. W. vom 10.11.2014 zu dem Ergebnis gelangte, dass es sich bei der begehrten Operation um ein überwiegend kosmetisches Behandlungsziel handele. Es liege eine abdominelle lipokutane Erschlaffung ohne Krankheitswert vor.

Mit Bescheid vom 10.12.2014 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Beurteilung des MDK ab.

Mit Schreiben vom 10.12.2014 berief sich der Kläger auf die Vorschrift des § 13 Abs. 3a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) und wünschte eine Bestätigung der Leistungsgewährung. Mit Schreiben vom 16.12.2014 verwies die Beklagte auf den Bescheid vom 10.12.2014.

Am 18.12.2014 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Hamburg erhoben. Er macht geltend, dass aufgrund der Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V Anspruch auf den begehrten Bodylift bestehe. Die Beklagte habe die maßgebliche Fünf-Wochen-Frist nicht eingehalten. Eine Prüfung der Erforderlichkeit der Sachleistung sei infolge dessen nicht vorzunehmen. Die Genehmigungsfiktion stehe einem Bewilligungsbescheid gleich, der nach dem Willen des Gesetzgebers den Zweck einer Sanktion verfolge. Diese Ansicht sei inzwischen in Rechtsprechung und Literatur vorherrschend.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10.12.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.03.2016 zu verurteilen, den Kläger mit einem Bodylift nach L. als Sachleistung zu versorgen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach ihrer Auffassung bestehe ein Anspruch auf Kostenerstattung nur, wenn der Versicherte sich die Leistung nach Ablauf der in § 13 Abs.3a Sätze 1 und 4 SGB V genannten Fristen die Leistung selbst beschafft habe. Die Norm ziele auf die Beschleunigung des Bewilligungsverfahrens ab, solle aber nicht das Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsgebot der gesetzlichen Krankenversicherung unterlaufen. Dis ergebe sich aus dem Umstand, dass sich die ursprüngliche Gesetzesfassung des Satzes 6 an § 15 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch orientiert habe und die Neufassung des Satzes 6 nur damit begründet worden sei, dass eine eigene Fristsetzung durch den Versicherten vor der Selbstbeschaffung nicht mehr notwendig sei. Eine enge Wortlautauslegung des Satzes 6 der Vorschrift sei nicht mit dem Regelungsgehalt des nachfolgenden Satzes, der einen Kostenerstattungsanspruch nur für die Selbstbeschaffung einer erforderlichen Leistung einräume, vereinbar. Für den eingeschränkten Anwendungsbereich spreche auch das systematische Argument, dass im Rahmen des § 13 SGB V nur Kostenansprüche für selbstbeschaffte Leistungen geregelt seien, die als Sachleistung beansprucht werden könnten.

Am 10.03.2016 hat die Beklagte einen Widerspruchsbescheid erlassen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte nebst Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 22.12.2014 und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die nach Erlass des Widerspruchsbescheids zulässig gewordene Klage ist begründet.

Nach § 13 Abs. 3a Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), der auf dem Patientenrechtsgesetz vom 20.2.2013 beruht und zum 26.02.2013 in Kraft ...

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