Entscheidungsstichwort (Thema)

Anerkennung einer Erkrankung durch Chrom und seine Verbindungen als Berufskrankheit bei einem Schweißer

 

Orientierungssatz

1. Zur Anerkennung einer Erkrankung durch Chrom und seine Verbindungen als Berufskrankheit nach Nr. 1103 der Anlage zur BKV ist es unschädlich, wenn die tatsächliche individuelle Chrom 6 - Belastung am Arbeitsplatz nicht konkret ermittelt werden kann. Schwierigkeiten bei der Feststellung der konkreten Dosis-Wirkung-Prinzipien dürfen bei Offenkundigkeit der hochgradigen Kanzerogenität nicht dazu führen, im Zweifel derart hohe Grenzwerte festzulegen, dass nahezu keine Anerkennungsfälle denkbar sind.

2. Ist nach neueren wissenschaftlichen Studien auch unterhalb des Grenzwertes ein deutlich erhöhtes Risiko für die Entstehung von Lungentumoren gegeben und ist belegt, dass der Versicherte in deutlich höherem Umfang als die übrige Bevölkerung chromatexponiert war, so ist bei einer Expositionskarenz von über zwei Jahrzehnten die haftungsbegründende Kausalität zu bejahen.

3. Es ist wissenschaftlich gesichert, dass die Einwirkung von Chromat 6 - Verbindungen Lungenkrebs verursachen kann. War der Versicherte an seinem Arbeitsplatz neben Chromaten auch der Einwirkung von Asbest und Nickel ausgesetzt, so ist bei einem Schweißer angesichts des komplexen Gefahrstoffgemisches auch die haftungsbegründende Kausalität zu bejahen. Die beruflichen Einwirkungen gelten in einem solchen Fall wenigstens als wesentliche Teilursache für die Entstehung von Bronchialkrebs auch dann, wenn der Versicherte Raucher war.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 30.03.2017; Aktenzeichen B 2 U 6/15 R)

 

Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 25.08.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.12.2005 (Az.: ) wird aufgehoben und die Beklagte verurteilt, bei dem Kläger einen Zustand nach Oberlappenresektion links am 07.09.2004 wegen nicht kleinzelligem Lungenkarzinom des linken Lungenoberlappens im Stadium IIa als Berufskrankheit nach Ziffer 1103 der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen und ihm ab Ende der durch die Berufskrankheit bedingten Arbeitsunfähigkeit Verletztenrente aufgrund einer MdE von 100 v. H. in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers in gesetzlichem Umfang zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Anerkennung und Entschädigung eines Bronchialkarzinoms als BK Ziffer 1103 bzw. 4104.

Mit Schreiben vom 20.04.2005 zeigte der 1952 geborene Kläger eine Lungenkrebserkrankung als Berufskrankheit an, die er auf den beruflichen Kontakt zu Chrom- und Chrom-F.-Stählen während seiner versicherten Tätigkeit bei der Fa. K. Stahlwerk D. von April 1977 bis Dezember 1985 zurückführte. Die Beklagte erhob anlässlich eines Hausbesuches bei dem Kläger am 13.05.2005 Angaben zu dessen beruflicher Tätigkeit im Stahlwerk, dabei ergab sich unter anderem auch ein Kontakt zu Asbest, z. B. im Bereich der Ofenrollen, außerdem wurde eine Raucheranamnese mit ca. 20 Zigaretten pro Tag bis 26.08.2004 offenkundig. Weiter zog die Beklagte verschiedene Krankenunterlagen bei, unter anderem Arztbriefe der Klinik für Thoraxchirurgie HSK W. von September bzw. Oktober 2004, wo am 07.09.2004 eine erweiterte Oberlappenresektion sowie die Lymphknotenentfernung durchgeführt worden war. Die Diagnosen lauteten: „peripheres, nicht kleinzelliges Lungenkarzinom linker Lungenoberlappen im Stadium IIa sowie chronisch obstruktive Lungenerkrankung bei Zustand nach Nikotinabusus“.

In einer Stellungnahme des Präventionsdienstes vom 15.06.2005 führte dieser aus, dass von einer Asbestbelastung im Sinne der Berufskrankheit 4104 von 1,3 Asbestfaserjahren auszugehen sei, in geringerem Maße seien auch Belastungen im Sinne der BK 1103 anzunehmen. Hierzu sowie zu den weiter beigezogenen Röntgenbildern äußerte sich der Beratungsarzt Dr. K. mit Datum vom 28.07.2005 dahingehend, dass eine Berufsbedingtheit des Bronchialkarzinoms nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststellbar sei, weil weder die Exposition gegenüber Chrom-VI-Verbindungen noch die Asbestexposition die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Entstehung der jeweiligen Berufskrankheit erfüllten. Die Einholung eines Gutachtens sei daher nicht erforderlich. Nach dieser Stellungnahme ging noch eine Auskunft des ehemaligen Arbeitgebers K., D., vom 09.08.2005 zu der Tätigkeit des Klägers in der Edelstahlbehandlungsanlage ein, sodann lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 25.08.2005 (Az.: ) die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Ziffer 1103 ab, weil bei der überwiegenden Anzahl der Arbeitsgänge während der Tätigkeit als Anlagenbediener keine Gefährdung durch Chrom-VI-Verbindungen bestanden hätte. Ebenfalls durch Bescheid vom 25.08.2005 (Az.:) wurde die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Ziffer 4104 abgelehnt, da lediglich eine kumulative Asbestfaserdosis von 1,3 Faserjahren vorgelegen habe und außerdem kein Nachweis asbeststaubbedingter Veränderungen der Lunge oder Pleura erbracht sei.

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