Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. keine Anrechnung der im Widerspruchsverfahren entstandenen Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr für eine Untätigkeitsklage. Terminsgebühr. Widerspruchsbescheid. Anerkenntnis

 

Leitsatz (amtlich)

Eine im Widerspruchsverfahren entstandene Geschäftsgebühr ist nicht nach der Vorbemerkung 3 Abs 4 VV RVG auf die Verfahrensgebühr für eine auf Erteilung des Widerspruchsbescheids gerichtete Untätigkeitsklage anzurechnen.

Ein vor Kenntnis einer Untätigkeitsklage ergangener Widerspruchsbescheid stellt kein Anerkenntnis im Sinne der Nr 3106 S 2 Nr 3 VV RVG dar.

 

Tenor

1. Auf die Erinnerung des Erinnerungsführers wird der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 18. Juli 2014 dahingehend geändert, dass die durch die Erinnerungsgegnerin an den Erinnerungsführer zu erstattenden außergerichtlichen Kosten auf insgesamt 202,30 € festgesetzt werden. Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.

2. Der Erinnerungsführer hat die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Erinnerungsgegnerin zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Erinnerungsführer wendet sich gegen die Höhe der Kostenfestsetzung zugunsten der Erinnerungsgegnerin.

In dem zugrundeliegenden Hauptsacheverfahren ging es um eine Untätigkeitsklage wegen eines durch den Erinnerungsgegnervertreter eingelegten Widerspruchs. Die vom 2. August datierende Klage ging hier am 7. August 2013 ein. Zuvor hatte der Erinnerungsgegnervertreter dem Erinnerungsführer eine Frist bis zum 1. August 2013 gesetzt. Unter dem 21. August 2013 erteilte der Erinnerungsführer den Widerspruchsbescheid. Die Übersendung der Klage durch das Gericht an den Erinnerungsführer zusammen mit der inzwischen eingegangenen Erledigungserklärung erfolgte erst am 3. September 2013.

Mit Beschluss vom 23. Dezember 2013 ordnete das Gericht die Erstattung der Kosten der Erinnerungsgegnerin durch den Erinnerungsführer an.

Mit Rechnung vom 9. Januar 2014 beantragte der Erinnerungsgegnervertreter, Kosten in Höhe von 362,95 € festzusetzen.

Verfahrensgebühr

150 €

Terminsgebühr

135 €

Pauschale

20 €

Mehrwertsteuer

57,95 €

gesamt

362,95 €

Der Erinnerungsführer wies mit Schreiben vom 5. März 2014 darauf hin, dass sich bei Anwendung des bis zum 31. Juli 2013 geltenden Rechts nur ein Betrag von 243,95 € ergebe. Bei Anwendung des neuen Rechts seien 175 € anzurechnen.

Der Erinnerungsgegnervertreter teilte daraufhin mit, dass der Auftrag zur Klage am 2. August 2013 erteilt worden sei.

Mit Beschluss vom 18. Juli 2014 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die von dem Erinnerungsführer zu erstattenden Kosten antragsgemäß fest.

Der Erinnerungsführer ist der Auffassung, dass eine Anrechnung der Geschäftsgebühr nach der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG hätte erfolgen müssen. Ansonsten hätte nur die Mindestgebühr festgesetzt werden dürfen. Die Voraussetzungen einer Terminsgebühr hätten nicht vorgelegen. Es sei über den Widerspruch entschieden worden, bevor die Klage beim Erinnerungsführer eingegangen sei. Deshalb könne auch kein Anerkenntnis vorliegen.

Die Erinnerungsgegnerin verweist auf die Begründung des Beschlusses vom 18. Juli 2014 und auf die Rechtsprechung des Hessischen Landessozialgerichts zu dem Vorliegen eines Anerkenntnisses in einer Untätigkeitsklagesituation.

Die Beteiligten haben keine konkreten Anträge gestellt.

II.

Die zulässige Erinnerung ist im tenorierten Umfang begründet.

Anwendbar ist das ab dem 1. August 2013 gültige Recht. Nach § 55 Abs. 1 RVG ist die Vergütung nach bisherigem Recht zu berechnen, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit im Sinne des § 15 vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung erteilt oder der Rechtsanwalt vor diesem Zeitpunkt bestellt oder beigeordnet worden ist. Der unbedingte Auftrag zur Erhebung der Klage wurde durch die Erinnerungsgegnerin erst am 2. August 2013 erteilt. Das Gericht hat keine erheblichen Zweifel an diesem anwaltlich zugesicherten Datum. Tatsächlich konnte die Erinnerungsgegnerin - wie der Erinnerungsgegnervertreter richtig einwendet - vor Ablauf der gesetzten Frist ohnehin noch keinen unbedingten Auftrag zur Klageerhebung erteilen, da es noch möglich war, dass der Erinnerungsführer in der gesetzten Frist den Widerspruchsbescheid noch erlassen und damit die Klage überflüssig machen werden würde.

Die Verfahrensgebühr ist entstanden und auch der Höhe nach durch den Erinnerungsgegnervertreter richtig bemessen.

Nach § 3 Abs. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz nicht anzuwenden ist, Rahmengebühren. Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt innerhalb des vorgegebenen Gebührenrahmens im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (S. 1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen...

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