Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. haftungsbegründende Kausalität. ungeeigneter Unfallmechanismus: willentlich geplanten und muskulär gesteuerten Ablauf. Gelegenheitsursache. Anheben eines schweren Steines. distale Bizepssehnenruptur

 

Orientierungssatz

Zum Nichtvorliegen eines Arbeitsunfalls eines Steinmetzes, der beim Anheben eines schweren Steines eine distale Bizepssehnenruptur erlitt, da die Sehne gelegentlich eines willentlich geplanten und muskulär gesteuerten Ablaufs gerissen ist.

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Rechtsstreit wird um die Anerkennung des Ereignisses vom 22.07.2016 als Arbeitsunfall im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII geführt.

Der 1957 geborene Kläger hob im Rahmen seiner versicherten Tätigkeit als selbstständiger Steinmetzmeister am 22.07.2016, um 16:45 Uhr mit dem Kunden E. zusammen einen Stein an, der nach der erfolgten Auslieferung noch nicht ganz richtig lag. Hierbei spürte er ein Knacken am rechten Oberarm und brach die Arbeit ab. Es wurde eine distale Bizepssehnenruptur rechts diagnostiziert.

Aufgrund des Durchgangsarztberichtes vom 23.07.2016 ermittelte die Beklagte den tatsächlichen und den medizinischen Sachverhalt. Aus dem Durchgangsarztbericht ergab sich eine distale Bizepssehnenruptur rechts, welche nachfolgend operativ behandelt wurde.

Mit Bescheid vom 07.09.2016 lehnte die Beklagte Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Denn zwischen dem Riss der körperfernen Bizepssehne rechts und dem Ereignis vom 22.07.2016 bestehe kein ursächlicher Zusammenhang. Der Hergang vom 22.07.2016 sei nicht geeignet gewesen, die Bizepssehnenverletzung zu verursachen. Es handele sich um eine willentliche Kraftanstrengung ohne zusätzliche äußerliche Gewalteinwirkung, so dass es zur Anerkennung eines Arbeitsunfalles an dem Merkmal der äußeren Gewalteinwirkung fehle. Es habe sich beim gemeinsamen Anheben des Steines um eine geplante Handlung gehandelt, die nicht durch eine plötzliche von außen einwirkende Kraft beeinflusst worden sei.

Leistungen seien daher abzulehnen. Die Behandlung und Arbeitsunfähigkeit gehe zu Lasten der Krankenkasse.

Mit Schreiben vom 21.09.2016 legte der Kläger Widerspruch ein, welchen die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 02.12.2016 zurückwies. Eine nicht durch äußere Umstände veranlasste, vom Willen des Versicherten getragene und gesteuerte Eigenbewegung sei kein von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis. Das Anheben des Steines stelle einen willentlichen (gewollten) Krafteinsatz dar. Komme es bei einer willkürlichen Muskelkontraktion zum Abriss einer Sehne oder eines Muskels, so müssen diese Strukturen weit fortgeschritten geschädigt sei. Andernfalls sei ein spontaner Abriss nicht denkbar. Aufgrund von Degenerationsprozessen können Weichteile auch ohne traumatische Einwirkung in ihrem Zusammenhang getrennt werden. Diese Prozesse verliefen meist klinisch stumm. Daher sei die vorherige Beschwerdefreiheit kein Nachweis für die Annahme eines Unfallzusammenhanges.

Es fehle die haftungsausfüllende Kausalität. Der Riss der langen Bizepssehne sei ohne Riss der Muskulatur nicht wesentlich durch den Hebevorgang bedingt, sondern Folge anlage- und altersbedingter Abnutzungserscheinungen. Das Anheben des Steines sei daher allenfalls ein unfallversicherungsrechtlich bedeutungsloses Anlassgeschehen bzw. eine Gelegenheitsursache. Dies reiche für die Feststellung eines Arbeitsunfalles nicht aus.

Der Kläger hat am 30.12.2016 Klage beim Sozialgericht Fulda erhoben.

Der Kläger ist der Ansicht, dass das Ereignis vom 22.07.2016 einen Arbeitsunfall darstelle. Er habe im Rahmen seiner Tätigkeit als versicherter Steinmetzmeister einen Stein für einen Garten ausgeliefert. Nachdem der Stein abgeladen worden sei, haben der Kläger und der Kunde E. ihn noch etwas verrücken wollen, da dieser noch nicht richtig gelegen habe. Beim Anheben des Steines habe der Kläger plötzlich ein Reißen und Schmerzen im rechten Arm verspürt. Dies sei eindeutig ein Arbeitsunfall. Der Stein sei schwerer als die von der Beklagten angenommenen 70 Kilogramm. Auf das Grabsteinurteil des BSG vom 12.04.2005, Az. B 2 U 27/04 R, werde verwiesen.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 07.09.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.12.2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das Ereignis vom 22.07.2016 als Arbeitsunfall im Sinne von § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII anzuerkennen und

die Beklagte zu verurteilen, die Bizepssehnenruptur rechts des Klägers als Primärschaden des als Arbeitsunfalls festzustellenden Ereignisses vom 22.07.2016 festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bezieht sich auf den angegriffenen Verwaltungsakt.

Die Kammer hat im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht Berichte der den Kläger behandelnden Ärzte angefordert sowie die Akte des Rentenversicherungsträgers, die Schwerbehindertenakte (Grad der Behinderung von 50)...

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