Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Berufskrankheit gem BKV Anl 1 Nr 4301. haftungsbegründende Kausalität. obstruktive Atemwegserkrankung. Rhinopathie. Tonerstaubbelastung. Vervielfältiger im Kopierraum

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Berufskrankheit nach Nr 4301 Anl 1 BKV erfasst im Gegensatz zu derjenigen nach Nr 4302 auch Erkrankungen der oberen Atemwege.

2. Wird im Einzelfall einer hohen beruflichen Tonerstaubbelastung (hier: bei täglich 5.000 bis 10.000 Kopieraufträgen) durch den Sachverständigen bei einer Provokationstestung mit Tonerstaub eine unmittelbare Reaktionslage der oberen Atemwege in Form einer teilweisen Verlegung der Nasenatmung sowie des Abfalls des nasalen Flows von 30% festgestellt, führt dies zur Anerkennung einer Rhinopathie als Berufskrankheit nach Nr 4301 der Anl 1 zur BKV. In diesem Fall braucht nicht entschieden zu werden, ob Tonerstaub im Allgemeinen zu Erkrankungen insbesondere der unteren Atemwege führt.

 

Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 16.08.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.10.2005 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verpflichtet, bei dem Kläger das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr. 4301 der Anlage 1 zur BKVO anzuerkennen und dem Kläger eine Rente nach einer MdE von 20 % zu zahlen.

3. Die Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung einer Berufskrankheit des Klägers.

Der Kläger begann im Jahr 1970 mit einer beruflichen Tätigkeit als Koch bei der Bundeswehr, in deren Rahmen er bis zum Jahr 1987 in Küchenbetrieb tätig war. Anschließend arbeitete er ebenfalls als Koch bei dem Bundesgrenzschutz in A-Stadt. Aus organisatorischen Gründen wurde ihm 1999 eine andere Tätigkeit beim Bundesgrenzschutz, nämlich als Vervielfältiger im Kopierraum, übertragen. Nachdem der Kläger im Mai 2003 arbeitsunfähig erkrankte, nahm er seine Tätigkeit am Kopierarbeitsplatz nicht mehr auf.

Mit Schreiben vom 7. April 2003 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Anerkennung einer Berufskrankheit, die infolge seiner Tätigkeit als Vervielfältiger entstanden sei. Zur Begründung trug er vor, dass er in einem Raum von einer Größe von ca. 30 m², der mit zwei Kopieren und einem Hochleistungsdrucker ausgestattet sei, täglich 5000 bis 10.000 Kopienaufträge ausgeführt habe. Etwa zweieinhalb Jahre zuvor habe er Atmungsprobleme bekommen, sein Gesundheitszustand habe sich zunehmend verschlechtert.

Nachdem er sich daraufhin einer lungenfachärztlichen Untersuchung unterzogen hatte, kam der behandelnde Arzt zu dem Ergebnis, dass der Kläger an seinem Arbeitsplatz als Vervielfältiger nicht verbleiben könne. Diese Einschätzung bestätigt im Ergebnis auch der Arbeitsmedizinische Dienst des Grenzschutzpräsidiums Mitte in seiner Stellungnahme vom 20. April 2004 (Bl. 218 ff. der Beklagtenakte).

In einem von der Beklagten im Verwaltungsverfahren eingeholten Sachverständigengutachten des Prof. Dr. GS. vom 27. November 2004 kam dieser zu dem Ergebnis, dass eine Berufskrankheit bei dem Kläger nicht vorliege. Zwar hatte der Sachverständige im Rahmen eines offenen Expositionstests an einem klinikeigenen Kopierer bei dem Kläger Hustenreiz, Fließschnupfen und Augentränen sowie einen Abfall der gemessen maximalen Atemstromstärken um 23,7 % bei fehlender bronchospastischer Sofortreaktionen festgestellt. Gleichwohl gelangte er zu der Einschätzung, dass zwar eine Verschlimmerung der Asthmaerkrankung des Klägers während seiner beruflichen Tätigkeit als Vervielfältiger durchaus glaubhaft, eine Berufskrankheit gemäß Nr. 4301/4302 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung aber gleichwohl weder im Sinne einer Entstehung noch einer Verschlimmerung einer vorbestehenden Erkrankung anzunehmen sei. Ursächlich für die Verschlimmerung der Asthmaerkrankung sei in erster Linie eine unspezifische Reizwirkung von feinen und ultrafeinen Staubartikeln auf die infolge der seit Jahren abgelaufenen allergischen Krankheitsvorgänge chronisch-entzündliche veränderten Schleimhäute der oberen und unteren Atemwege. Hierbei handele es sich aber nach bisherigem Kenntnisstand nicht um eine chemisch-irritative oder toxische Wirkung, sondern um einen rein partikulären Effekt der Feinstäube. Eine solche Erkrankung finde sich in der Liste der Berufskrankheiten jedoch nicht.

In einer Stellungnahme des Instituts für Arbeit- und Sozialmedizinische Allergiediagnostik vom 1. Februar 2005 (Bl. 296 ff. der Beklagtenakte) kommt der Sachverständige Prof. YF. zu dem Ergebnis, dass die Schlussfolgerungen des Sachverständigen GS. nicht ausreichend valide seien. Die Schlussfolgerung, es handele sich nicht um eine Berufskrankheit im Sinne der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung, sei nicht ausreichend belegt. Dem Gutachten hafteten methodische und Interpretationsschwächen an, deren Behebung im weiteren Ablauf des Verfahrens wichtig sei.

Im Rahmen einer sich auf Veranlassung der Beklagten anschließenden stationären Begutachtung des Klägers durch den Sachver...

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