Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Prozesskostenhilfe. Anrechnung der vorgerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr auf die gerichtliche Verfahrensgebühr nur bei Erhalt tatsächlicher Zahlungen

 

Leitsatz (amtlich)

Auch im Falle der Vergütung eines Rechtsanwalts aus der Staatskasse infolge PKH-Gewährung und Beiordnung ist die in Vorbemerkung 3 Abs 4 VV RVG angeordnete Anrechnung der vorgerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr im sozialgerichtlichen Verfahren nur zulässig, wenn und soweit der Rechtsanwalt tatsächlich Zahlungen auf die Geschäftsgebühr erhalten hat.

 

Tenor

1. Die Vergütungsfestsetzung vom 28. Februar 2014 im Verfahren S 2 AS 165/13 wird abgeändert und die dem Erinnerungsführer zu erstattende Vergütung wird auf insgesamt 547,40 EUR festgesetzt.

2. Diese Entscheidung ergeht gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

3. Die Beschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Höhe der im Rahmen des vor dem SG Fulda geführten Verfahrens S 2 AS 156/13 aus der Staatskasse zu gewährenden Gebühren und Auslagen.

1. Dem Erinnerungsverfahren liegt das vorbezeichnete Klageverfahren (im Folgenden nur: Ausgangsverfahren) zugrunde. In diesem Verfahren hatten die beiden Kläger durch Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 9. Oktober 2013 Klage erhoben, mit der sie Leistungen nach dem SGB II geltend machten. Das Verfahren endete durch angenommenes Anerkenntnis am 17. Februar 2014; parallel zur Annahme des Anerkenntnisses erklärte der Erinnerungsführer, dass Kostenanträge im Ausgangsverfahren nicht gestellt würden. Zuvor war den Klägern mit Beschluss vom 23. Januar 2014 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Erinnerungsführers mit Wirkung ab Rechtshängigkeit gewährt worden. Der Erinnerungsführer hatte die Kläger bereits in dem dem Ausgangsverfahren vorausgehenden Vorverfahren vertreten.

2. Nach Abschluss des Verfahrens begehrte der Erinnerungsführer die endgültige Festsetzung seiner Vergütung gegen die Staatskasse wie folgt unter gleichzeitiger Erklärung, keine Vorschüsse oder sonstige Zahlungen erhalten zu haben:

Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV RVG

300,00 EUR

Mehrvertretungszuschlag, Nr. 1008 VV RVG

90,00 EUR

Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG

270,00 EUR

Pauschale für Post- und Telekommunikation, Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

Zwischensumme

680,00 EUR

19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG

129,20 EUR

809,20 EUR.

Demgegenüber setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Vergütung unter dem 28. Februar 2014 wie folgt fest:

Verfahrensgebühr, Nr. 3102, 1008 VV RVG

130,00 EUR

Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG

180,00 EUR

Pauschale für Post- und Telekommunikation, Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

Zwischensumme

330,00 EUR

19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG

62,70 EUR

392,70 EUR

Zur Begründung der gegenüber dem Antrag reduziert festgesetzten Gebühren führte der Urkundsbeamte aus, dass das Ausgangverfahren insgesamt unterdurchschnittlichen Umfang und Schwierigkeit aufgewiesen habe. Zudem hätten sich erhebliche Synergieeffekte aus dem Verfahren S 2 AS 164/13 mit parallelem Streitgegenstand ergeben; daraus folge eine angemessen Verfahrensgebühr unter Berücksichtigung des nach Nr. 1008 VV RVG erhöhten Rahmens (65 bis 715 EUR) von 260 EUR, so dass die geforderte Gebühr unbillig sei. Auf diese Verfahrensgebühr sei sodann die für die Vertretung durch den Erinnerungsführer im Vorverfahren entstandene Geschäftsgebühr anzurechnen. Dies Anrechnung habe unter Heranziehung der Auffassung des HessVGH in seinem Beschluss vom 27. Juni 2013 - 6 E 600/13 u.a. - unabhängig davon zu erfolgen, ob die Geschäftsgebühr tatsächlich gezahlt worden sei, da es nach dem Wortlaut der Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Teil 3 VV RVG nur auf das Entstehen der Gebühr ankomme. Zudem habe der Erinnerungsführer auf eine Kostenerstattung durch den Beklagten des Ausgangsverfahrens selbst verzichtet. Daraus ergebe sich die Höhe der Verfahrensgebühr von 130 EUR.

Die “fiktive„ Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG sei nach Absatz 2 der zugehörigen Anmerkung ohne Berücksichtigung der Erhöhung gem. Nr. 1008 VV RVG in Höhe von 90 % der Verfahrensgebühr festzusetzen, somit also auf 180 EUR (90 % von 200 EUR).

3. Gegen diese Festsetzung wendet sich der Erinnerungsführer mit seiner als “Beschwerde„ bezeichneten Erinnerung vom 26. März 2014, die am selben Tag bei dem SG Fulda eingegangen ist. Zur Begründung führt er aus, dass die Kürzung der Verfahrensgebühr wegen “fiktiver möglicher Gebührenansprüche„ gegenüber dem Verfahrensgegner dem “Wortlaut sowie der gesetzlichen Regelung des RVG„ widerspreche. Einen förmlichen Antrag hat der Erinnerungsführer nicht gestellt. Gleichzeitig hat er angekündigt, dass eine weitere Stellungnahme in diesem Verfahren nicht erfolgen werde.

4. Der Erinnerungsgegner hat in seiner Stellungnahme vom 5. Juni 2014 die angegriffene Vergütungsfestsetzung verteidigt und beantragt,

die Erinnerung zurückzuweisen.

Unter Berücksichtigung der Kriterien des § 14 RVG ergebe sich ein unterdurchschnittlicher Aufwand d...

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