Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Untätigkeitsklage. Erklärung der Behörde über Erlass des begehrten Verwaltungsakts. Kostengrundanerkenntnis. Auslegung. kein Anerkenntnis in der Hauptsache. Rechtsanwaltsvergütung. kein Anfall der fiktiven Terminsgebühr

 

Leitsatz (amtlich)

1. Erklärt die Behörde während des Untätigkeitsklageverfahrens gegenüber dem Gericht, dass sie den begehrten Bescheid erlassen habe, kann dies in der Regel auch dann nicht als Anerkenntnis in der Hauptsache ausgelegt werden, wenn zugleich die Kostentragung dem Grunde nach anerkannt wird.

2. Eine fiktive Terminsgebühr Nr 3106 S 1 Nr 3 VV RVG (juris: RVG-VV) entsteht in diesem Fall daher nicht.

 

Tenor

1. Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 10.12.2018 wird zurückgewiesen.

2. Kosten für das Erinnerungsverfahren sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

In dem unter dem Aktenzeichen S 16 AS 4684/18 vor dem Sozialgericht Freiburg geführten Klageverfahren stritten die Beteiligten um eine Untätigkeit der Beklagten.

Der Kläger und Erinnerungsführer (Kläger) erhob am 23.10.2018 die Klage mit dem Antrag, die Beklagte zur Entscheidung über einen Antrag des Klägers auf Erstattung von Vorverfahrenskosten vom 20.4.2018 zu verpflichten. Die Beklagte und Erinnerungsgegnerin (Beklagte) beantragte zunächst, die Klage abzuweisen, da ihr keine Kostenrechnung vom 20.4.2018 vorliege. Der Kläger legte daraufhin noch die Rechnung sowie eine Fax-Sendebestätigung vor. Mit Schreiben vom 15.11.2018 teilte die Beklagte dem Gericht mit, dass sie dem Klagebegehren entsprochen habe. Die Kosten für das Widerspruchsverfahren seien angewiesen worden. Damit dürfte dem Klagebegehren in vollem Umfang entsprochen worden sein. Der Kläger möge erklären, ob er den Rechtsstreit in der Hauptsache als erledigt betrachte. Die Übernahme der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers werde dem Grunde nach anerkannt.

Der Kläger teilte hierauf mit, dass er das Anerkenntnis annehme und den Rechtsstreit für erledigt erkläre.

Zugleich beantragte er Kostenfestsetzung wie folgt:

Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG

150,00 €

Terminsgebühr Nr. 3106 Nr. 3 VV RVG

135,00 €

Pauschale Nr. 7002 VV RVG

20,00 €

Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG

57,95 €

Gesamtbetrag

362,95 €

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 10.12.2018 setzte die Urkundsbeamtin des Gerichts die von der Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten auf insgesamt 202,30 € fest. Der festgesetzte Betrag sei ab 28.11.2018 mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Sie legte dabei die Verfahrensgebühr in beantragter Höhe sowie die Auslagenpauschale zuzüglich Umsatzsteuer i.H.v. 32,30 € zu Grunde. Zur Begründung führte sie aus, dass die beantragte hälftige Mittelgebühr der Verfahrensgebühr in diesem Rechtsstreit angemessen sei. Eine fiktive Terminsgebühr sei unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 10.10.2017 - B 12 KR 3/16 R) nicht angefallen. Danach stelle § 88 Abs. 1 S. 3 SGG eine Sonderregelung gegenüber § 101 Abs. 2 SGG dar. Ausgehend hiervon lägen die Voraussetzungen für ein Anerkenntnis und damit für die Festsetzung einer fiktiven Terminsgebühr nicht vor.

Der Kläger hat gegen den seiner Bevollmächtigten am 12.12.2018 zugestellten Beschluss am 9.1.2019 Erinnerung eingelegt, da die zu erstattenden außergerichtlichen Kosten antragsgemäß festzusetzen seien. Zur Begründung führt er aus, dass ein Fall des §§ 88 Abs. 1 S. 3 SGG, auf den das von der Kostenbeamtin zitierte obiter dictum des Bundessozialgerichts Bezug nehme, gerade nicht vorgelegen habe. Die Beklagte habe keinen zureichenden Grund für die Nichtverbescheidung des “Widerspruchs vom 4.8.2017„ gehabt. In den Fällen, in denen sämtliche Voraussetzungen des §§ 88 SGG bei Klageerhebung vorgelegen hätten, entspreche die Beklagte mit dem Verbescheidung dem Klageantrag vollumfänglich und erkläre einseitig und ohne Einschränkung, dass die von dem Kläger begehrte Rechtsfolge zugegeben werde. Hierzu werde auf den Beschluss des SG Freiburg vom 29.3.2018 (S 14 SF 402/18 E) Bezug genommen.

Die Kostenbeamtin hat die Erinnerung dem Gericht vorgelegt, da ihr nicht abgeholfen werden könne.

Die Beklagte hat mitgeteilt, dass sie dem Kostenfestsetzungsbeschluss zustimme.

II.

Der Antrag auf richterliche Entscheidung (Erinnerung) gegen den gemäß § 197 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 10.12.2018 ist zulässig. Gegen die Entscheidung kann binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden, das endgültig entscheidet (§ 197 Abs. 2 SGG). Die Monatsfrist ist hier gewahrt. Die Kostenbeamtin hat der Erinnerung nicht abgeholfen.

Die Erinnerung ist jedoch nicht begründet, weil die zu erstattenden Kosten zutreffend festgesetzt wurden.

Das Gericht überprüft die nach § 197 Abs. 1 SGG getroffene Festsetzung in vollem Umfang. Eine Verböserung ist dabei nicht zulässig; einzelne Posten können jedoch anders abgegrenzt werden. Das Gericht ist dabei betragsmäßig an den Festsetzungsantrag gebunden...

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