Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Kostenerstattungsanspruch gegen den Erben. Anwendung altes oder neues Recht. Zeitpunkt der Anspruchsentstehung. Beschränkung auf den Nachlass. keine Berücksichtigung eines weiteren Freibetrags. Behandlung des vererbten Vermögens als Schonvermögen. keine besondere Härte. Heranziehung zum Kostenersatz

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Entscheidung, ob auf einen Kostenerstattungsanspruch wie den des Sozialhilfeträgers gegen den Erben nach § 92c BSHG bzw § 102 SGB 12 altes oder neues Recht Anwendung findet, ist nach den Grundsätzen des intertemporalen Rechts auf den Zeitpunkt von dessen Entstehung abzustellen.

2. Der Kostenersatzanspruch gegen den Erben ist auf den Wert des Nachlasses beschränkt. Kosten für die Dauergrabpflege mindern dessen Wert nicht, da nur die Kosten für die Erstanlage des Grabes, aber nicht mehr die für die Grabpflege zu den vom Erben rechtlich bindend aufzubringenden Beerdigungskosten gehören.

3. Ein weiterer Freibetrag für die Erbin nach § 92c Abs 3 Nr 2 BSHG kann dann nicht berücksichtigt werden, wenn durch deren Engagement für die Pflege der Hilfebedürftigen deren Heimunterbringung nicht vermieden werden kann.

4. Die Behandlung des vererbten Vermögens als Schonvermögen des Hilfeempfängers (hier: Schmerzensgeld) führt nicht zu einer besonderen Härte, wenn der Erbe im Hinblick auf dieses nunmehr vererbte Vermögen zum Kostenersatz herangezogen wird.

 

Tenor

1. Der Bescheid des Beklagten vom 17.11.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.04.2005 wird insoweit aufgehoben, als der Beklagte darin eine Kostenerstattung von mehr 24.696,60 Euro geltend macht.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Der Beklagte hat der Klägerin ein Fünftel der zur Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu erstatten

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um einen Kostenerstattungsanspruch des Beklagten gegen die Klägerin als Erbin der verstorbenen Hilfeempfängerin Fr. I. W. in Höhe von 30.696,60 Euro.

Die Klägerin ist die Tochter - und Alleinerbin - der 1946 geborenen I. W..

Diese litt, wobei die Diagnose seit August 1973 gesichert war, an Multipler Sklerose, die eine links- und beinbetonte Tetraparese nach sich zog. Sie war - zumindest - seit 1991 erheblich pflegebedürftig.

Durch Bescheid vom 20.10.1995 bewilligte die Pflegekasse der DAK für die Zeit ab 01.04.1995, also dem Beginn der Leistungserbringung aus der gesetzlichen Pflegeversicherung, Leistungen für häusliche Pflegehilfe nach der Pflegestufe III. Grundlage war ein sozialmedizinisches Gutachten des MdK vom 25.09.1995, wonach die Versicherte Hilfe in allen Bereichen benötige. Der tägliche Pflegebedarf überschreite fünf Stunden bei weitem. Der nächtliche Pflegebedarf sei ebenfalls immens, da die Versicherte mehrfach umgelagert werden müsse.

Im Jahre 1997 kam es während eines Klinikaufenthalts in den Kliniken des M.-T.-K. zu einer Intoxikation durch einen Funktionsfehler einer Lioresal-Pumpe mit nachfolgender schwerer Ateminsuffizienz.

Auf Grund dessen mussten durch Beschluss des Amtsgerichts XY., Abteilung H., vom 20.10.1997 Hr. RA Dr. G. - für die Vermögenssorge - und die Klägerin - für die Sorge für die Gesundheit und die Aufenthaltsbestimmung - als Betreuer für Fr. W. bestellt werden.

Am 02.12.1997 wurde Fr. W. zunächst im Rahmen einer Kurzzeitpflege in das L.-M.-H., ein Altenzentrum der C. in F., aufgenommen. Am 05.01.1998 wurde der Heimvertrag über die dauerhafte Heimunterbringung geschlossen.

In diesem Zusammenhang beantragte Hr. Dr. G. unter dem 01.12.1997, eingegangen bei dem Beklagten am 04.12.1997, Sozialhilfeleistungen, namentlich im Hinblick auf die durch die Pflegekasse der DAK - diese bewilligte mit Bescheid vom 10.12.1997 zunächst 2.800 DM für die Kurzzeitpflege, mit Bescheid vom 08.01.1998 Leistungen nach der Pflegestufe III für die vollstationäre Pflege der Klägerin - nicht vollständig übernommenen Pflegekosten.

Antragsgemäß gewährte der Beklagte Fr. W. durch Bescheid vom 26.02.1998 Hilfen zur Pflege ab 02.12.1997 für die Pflege im L.-M.-H. in der Pflegesatzgruppe 3. Die Leistungen wurden anschließend durchgehend bis zum Tode der Hilfeempfängerin gewährt.

Mit Schreiben vom 12.04.2000 an Hr. Dr. G. erklärte sich die GVV-K.VVaG auf Grund des Schadensfalles während des Klinikaufenthaltes dem Grunde nach regulierungsbereit und überwies einen Betrag von 30.000,- DM an Fr. W..

Der Beklagte meldete daraufhin mit Schreiben vom 29.04.2000 einen Erstattungsanspruch nach § 116 SGB X bei dem GVV an. Diese lehnte das Erstattungsbegehren dem Beklagten gegenüber durch Schreiben vom 22.03.2001 ab, da Fr. W. bereits vor dem Schadensfall in die Pflegestufe 3 eingestuft gewesen sei. Hieran habe sich trotz des Vorfalls nicht geändert. Ob die Leistungen für eine Person in Stufe 3 ambulant oder stationär erbracht würden, sei für die Prüfung der Übergangsfähigkeit nicht von Bedeutung. Ohnehin sei bereits nach einem ersten operativen Eingriff am 30.06.1997 mit der Tochter von Frau W. [also der Klägerin] über eine spätere Unterbr...

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