Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei einem Verkaufsförderer

 

Orientierungssatz

1. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist von Ersterer auszugehen, wenn die Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis unter einer Weisungsgebundenheit verrichtet wird und eine Eingliederung in einen fremden Betrieb vorliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch das eigene Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.

2. Untersteht ein als Verkaufsförderer Tätiger keinem Weisungsrecht, ist er für getätigte Arbeiten zur selbständigen Rechnungstellung verpflichtet, haftet er für im Rahmen seiner Auftragstätigkeit zugefügte Schäden in vollem Umfang, erhält er nur für ausgeführte Aufträge eine Vergütung, so ist von dem Bestehen einer selbständigen Tätigkeit auszugehen.

3. Dies gilt erst recht, wenn der Verkaufsförderer ein Unternehmerrisiko dergestalt zu tragen hat, dass er bei Entfallen eines Auftrags keinen Anspruch auf ein Ausfallhonorar hat und im Verhinderungsfall die Ausführung des Auftrags sicherzustellen hat.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 18.11.2015; Aktenzeichen B 12 KR 16/13 R)

 

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 18.08.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2005 wird aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass Herr C. im Rahmen seiner Tätigkeit für die Klägerin vom 01.11.1999 bis 31.08.2003 nicht abhängig beschäftigt war.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über den sozialversicherungsrechtlichen Status des Beigeladenen während seiner Tätigkeit für die Klägerin.

Die Klägerin ist ein Dienstleistungsunternehmen im Bereich Retail Service. Sie fungiert als Bindeglied zwischen Herstellern aus der Computer- und Elektrobranche und den Verkäufern an den Endkunden (sog. Retailer, z.B. Karstadt, MediaMarkt). Die Klägerin bietet z.B. die Vertriebsunterstützung an, die laut Internetauftritt (www.xyz.de) derzeit 40 Mitarbeiter umfasst. Deren Aufgabe ist u.a. die Produktvorstellung, Beratung, Verkauf und Aquise; Betreuung der Kunden; Aufbau und Pflege der Kundenbeziehungen zu bestehenden Kunden. Diesen Mitarbeitern werden die erforderliche Ausstattung sowie ein Firmenwagen gestellt.

Daneben bietet die Klägerin ein sog. Rackjobbing an. Darunter wird die Verkaufsförderung am Verkaufsort verstanden. Dieser Service umfasst bei der Klägerin einen Dispositions-Service; die regelmäßige Betreuung der Retail-Filialen/Outlets; regelmäßige Kontrolle der Bestände; Regalpflege inklusive Regaloptimierung; Layouterstellung für die jeweiligen Sortimente inklusive der dazugehörigen Planung, Umsetzung und Optimierung jeweils nach Absatzzahlen; Neueinrichtungen, generelle Umbauten; fundierte Zahlen für künftige Strategien; Steuerung der Sortimente nach Abverkaufszahlen. Diesen Service bietet die Klägerin mit 130 Servicekräften an.

Die Beigeladene hat seit dem 29.01.1992 ein Gewerbe als selbständiger Handelsvertreter angemeldet.

Am 01.11.1999 schlossen die Klägerin und der Beigeladene einen Rahmenvertrag, wonach der Beigeladene als Auftragnehmer Rackjobbing für die Klägerin als Selbständiger übernehme.

"§ 1 Vertragsgegenstand

(1) Der Auftragnehmer wird für den Auftraggeber als freier Mitarbeiter zur selbständigen Warengestaltung und -darbietung bzw. Merchandising tätig. Der Auftraggeber beauftragt den Auftragnehmer insbesondere mit der Ausführung nachstehender Tätigkeiten in den Geschäftsräumen der Kunden des Auftraggebers:

a) Präsentation der Produkte des Auftraggebers und seiner Vertragspartner

b) Sortimentsüberwachung

c) Warendisposition

d) Warenplazierung

e) Preisauszeichnung

f) Regalservice (Regalaufbauten/Regalumbauten)

g) Layout-Prüfungen

h) Inventuren

(2) Die Einzelheiten der Vertragsdurchführung bestimmen sich nach dem jeweiligen Einzelauftrag.

(3) Die ihm erteilten Aufträge führt der Auftragnehmer in eigener Verantwortung aus. Dabei hat er zugleich auch die Interessen des Auftraggebers zu berücksichtigen. Der Auftragnehmer unterliegt keinem Weisungs- und Direktionsrecht seitens des Auftraggebers; er hat jedoch fachliche Vorgaben des Auftraggebers insoweit zu beachten, als dies die ordnungsgemäße Vertragsdurchführung erfordert.

§ 2 Vertragsbeginn und Vertragsbeendigung

Das Vertragsverhältnis beginnt am 01.11.1999 und kann mit einer Frist von 14 Tagen zum Ende eines jeden Monats gekündigt werden. Eine Kündigung aus wichtigem Grund ist jederzeit möglich. Die Kündigung muss schriftlich erfolgen.

§ 3 Keine Höchstpersönlichkeit

Der Auftragnehmer ist nicht verpflichtet, jeden Auftrag höchstpersönlich auszuführen. Er kann sich hierzu, soweit der jeweilige Auftrag dies gestattet, auch der Hilfe von Erfüllungsgehilfen bedienen, soweit er deren fachliche Qualifikation sicher gestellt hat.

§ 4 Ablehnungsrecht des Auftragnehmers

Der Auftragnehmer hat das Recht, einzelne Aufträge d...

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