Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Rechtsanwältin in einer Rechtsanwaltsgesellschaft mit beschränkter Haftung auf der Basis von Rechtsanwalts-Dienstleistungsverträgen. fachliche Weisungsgebundenheit. Eingliederung in Betrieb. monatliches Festgehalt. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit

 

Orientierungssatz

Zur sozialversicherungsrechtlichen Einordnung einer Tätigkeit als Rechtsanwältin in einer Rechtsanwaltsgesellschaft mit beschränkter Haftung auf der Basis von Rechtsanwalts-Dienstleistungsverträgen, die verpflichtet war, fachlich den Weisungen der geschäftsführenden Rechtsanwälte zu folgen, die in die Arbeitsorganisation der Gesellschaft eingegliedert war und monatlich ein festes Gehalt bezog (hier: abhängige Beschäftigung).

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 19.07.2022; Aktenzeichen B 12 BA 3/22 B)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt 2/3, die Beklagte 1/3 der Kosten des Verfahrens, mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten jeweils selbst tragen.

Der Streitwert wird auf 53.154,47 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über einer Beitragsnachforderung nach durchgeführter Betriebsprüfung.

Die Beigeladene zu 1) und der Geschäftsführer der Klägerin waren als zugelassene Rechtsanwälte bis 30. Juni 2013 Partner der Partnerschaftsgesellschaft E. & Partner. Die Beigeladene zu 1) erhielt eine monatliche Gewinnbeteiligung i.H.v. 8.000,- €. Diese Partnerschaftsgesellschaft wurde zum 1. Juli 2013 aufgelöst.

Zum 1. Juli 2013 übernahm die im Mai 2013 gegründete Klägerin den Standort in A-Stadt dieser Partnerschaftsgesellschaft. Alleiniger Gesellschafter war der einzige Geschäftsführer der Klägerin. Nach § 9 Abs. 6 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin war geregelt, dass die Unabhängigkeit der Rechtsanwälte, die Geschäftsführer sind und / oder aber als Prokuristen/Handlungsbevollmächtigte von der Klägerin bevollmächtigt sind, bei der Ausübung ihres Rechtsanwalts gewährleistet werde. Einflussnahmen der Gesellschafter, etwa durch Weisungen und/oder vertragliche Bindung seien im Hinblick auf die Ausübung der Berufstätigkeit des jeweiligen Berufsträgers unzulässig.

Die Beigeladene zu 1) führte an ihrem Wohnsitz eine Rechtsanwaltskanzlei.

Zugleich schlossen die Klägerin und die Beigeladene zu 1) unter dem 28. Juni 2013 einen Anwalts-Dienstleistungsvertrag für den Zeitraum ab 1. Juli 2013. Ausweislich der Präambel waren sich die Parteien einig, dass die Beigeladene zu 1) für die Zusammenarbeit eine partnergleiche Position bei der Klägerin innehaben sollte. Grundlage sei diese freiberufliche Vereinbarung. Soweit die Beigeladene zu 1) daneben selbstständig sei, sichere sie zu, dass sie ihre Tätigkeit fachlich und zeitlich so einrichten werde, dass es zu keinen sachlichen und/oder zeitlichen Konflikten zu ihrer Tätigkeit nach dem Vertrag komme. Nach § 1 wurde die Beigeladene zu 1) als Rechtsanwältin im A-Stadt Büro der Klägerin tätig. Sie war verpflichtet, sich zur Rechtsanwaltschaft bei der Rechtsanwaltskammer A-Stadt zuzulassen bzw. die Zulassung aufrechtzuerhalten. Zudem verpflichtete sie sich, fachlich den Weisungen der geschäftsführenden Rechtsanwälte zu folgen. Sie bedurfte für fachliche Äußerungen nach außen, insbesondere bei fachbezogenen Vorträgen oder durch entsprechende Veröffentlichungen, der vorherigen Zustimmung der Gesellschaft. Zudem führte sie die Geschäfte der Gesellschaft in Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung, wofür sie Prokura erhielt. Nach § 3 wurde eine feste monatliche Vergütung in Höhe von 6.000,- €, jeweils am Letzten eines Monats zur Zahlung fällig, vereinbart. Darüber hinaus erhielt die Beigeladene zu 1) eine zusätzliche variable Vergütung wegen der von ihr abgerechneten und gegenüber dem jeweiligen Mandanten realisierbaren Stunden. Diese variable Vergütung betrug 20 Prozent, wurde das Mandatsverhältnis durch die Beigeladene zu 1) selbst akquiriert und betreut 30 Prozent, bei Selbstakquise, aber ohne Betreuung, 10 Prozent. Auslagen und Spesen wurden der Beigeladenen zu 1) nach dem Vertrag gesondert erstattet. Nach § 4 wurde vereinbart, dass der Vergütung ein Dienstleistungsumfang von 40 Stunden wöchentlich zugrunde liege. Die Beigeladene zu 1) war hierbei in der Festlegung ihrer Anwesenheit in den Kanzleiräumen der Gesellschaft weitgehend frei. In § 5 wurde ein Urlaubsanspruch von 30 Tagen kalenderjährlich vereinbart. In § 6 wurde vereinbart, dass die Dienstleistungsvereinbarung kein Anstellungsverhältnis begründe. Die Beigeladene zu 1) übernehme die Kosten für die eigene Kranken- und gegebenenfalls sonstige Sozialversicherung. Nach § 9 war die Beigeladene zu 1) verpflichtet, eine für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft erforderliche Haftpflichtversicherung auf eigene Kosten zu unterhalten. Nach § 7 konnte der Vertrag mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Quartalsende beendet werden. Eine automatische Beendigung war vorgesehen mit Ablauf des Monats, in dem die Beigeladene zu 1) das 65. Lebensjahr erreichte. ...

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