Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Unfallversicherungsschutz. Versicherungsfreiheit. Pfarrer im Ruhestand. Dienstunfall gem § 29 Abs 2 S 2 PfarrDG

 

Orientierungssatz

Ein Pfarrer im Ruhestand bei der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, der vertretungsweise unentgeltlich einen Gottesdienst abhält und dabei verunglückt, steht nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger zum Zeitpunkt des Unfalls zum anspruchsberechtigten Personenkreis nach dem SGB VII gehörte.

Der 1934 geborene Kläger ist seit dem 01.07.1997 Pfarrer im Ruhestand bei der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN). Er war zuvor bei der evangelisch-lutherischen A-gemeinde in A-Stadt tätig. Gegenüber dieser Gemeinde erklärte er sich vertretungsweise am 10.04.2009 (Karfreitag) bereit, den Karfreitagsgottesdienst zu gestalten und durchzuführen. Kurz vor Beginn des Gottesdienstes stürzte der Kläger sodann auf der Treppe zur Orgelempore und brach sich das linke Bein. Der Kläger musste daraufhin noch am gleichen Tag operiert und anschließend stationär und ambulant behandelt werden.

Nachdem die EKHN den Unfall bei der Beklagten angezeigt hatte, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 22.06.2009 Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung aufgrund des Ereignisses vom 10.04.2009 ab. Zur Begründung führte sie an, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Unfalls nicht zum versicherten Personenkreis nach § 2 SGB VII gehört habe. Pfarrer seien nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII als Personen, für welche beamtenrechtliche Unfallfürsorgepflichten gelten, versicherungsfreien und somit nicht in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert. Der Kläger sei daher zum Unfallzeitpunkt nicht wie ein Beschäftigter nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII, sondern wie eine versicherungsfreie Personen nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII tätig geworden. Es habe sich somit bei dem Ereignis vom 10.04.2009 nicht um einen Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung gehandelt.

Gegen den Bescheid legte der Kläger am 16.07.2009 Widerspruch ein, welchen er damit begründete, dass er Pfarrer auf Lebenszeit sei und damit die vollen Ordinationsrechte auch nach der Pensionierung unverändert weiter innehabe. Er sei deshalb wie ein Beschäftigter tätig geworden. Er fügte ein Schreiben der A-gemeinde vom 20.07.2009 bei, in welchem diese mitteilte, dass die Gemeinde in Zeiten von Vakanzen und Personalabbau auch auf die Mitarbeit von Pfarrern und Pfarrerinnen im Ruhestand angewiesen sei. Der Kläger habe auch im Auftrag und für die Gemeinde gehandelt und hierfür kein Honorar oder eine Vergütung erhalten. Der Kläger als Pfarrer im Ruhestand sei auch nicht verpflichtbar gewesen, Gottesdienste für andere Pfarrer zu übernehmen, so dass die Übernahme des Gottesdienstes als ehrenamtliche Tätigkeit zu werten sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.11.2009 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie an, dass der Kläger als Pfarrer im Ruhestand grundsätzlich nicht zu dem in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Personenkreis gehöre. Erleide ein Pfarrer, auch wenn er sich bereits im Ruhestand befinde, bei Ausübung seiner Tätigkeit einen Unfall, handele es sich um einen Dienstunfall, welcher vom Dienstherrn im Rahmen der beamtenrechtlichen Versorgung abzuwickeln sei. Eine Entschädigung durch die gesetzliche Unfallversicherung sei ausgeschlossen. Die Übernahme eines Gottesdienstes durch einen Pfarrer im Ruhestand könne auch nicht als ehrenamtliche Tätigkeit für eine öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaft gewertet werden, selbst wenn die Übernahme auf freiwilliger Basis und ohne Vergütungsanspruch erfolge. Dies ergebe sich schon daraus, dass ein Pfarrer auch im Ruhestand die vollen Ordinationsrechte behalte.

Hiergegen richtet sich die am 07.12.2009 zum Sozialgericht Frankfurt erhobene Klage, mit der der Kläger sein Ziel weiter verfolgt. Zur Begründung ließ er vortragen, dass er mit der Versetzung in den Ruhestand gegenüber der EKHN keinerlei dienstlicher Verpflichtungen mehr unterliege. Er unterliege auch nicht mehr dem Weisungsrecht des ehemaligen Dienstherrn. § 4 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII stelle zudem nur solche Personen versicherungsfrei, für die die beamtenrechtlichen Unfallfürsorgevorschriften oder entsprechende Grundsätze gelten würden. Dies sei bei Ruhestandsbeamten jedoch gerade nicht mehr der Fall, da sie nicht mehr im Dienst seien und somit auch keine Dienstunfälle erleiden könnten. Zwar habe der Kläger nach wie vor alle Ordinationsrechte und damit die Möglichkeit, Gottesdienste abzuhalten; verpflichtet sei er hierzu jedoch nicht. Da der Kläger am Unfalltag freiwillig und ohne hierfür eine finanzielle Entschädigung zu erhalten, einen Gottesdienst gehalten habe, sei er ehrenamtlich tätig geworden. Er falle daher unter § 2 Nr. 10 b) SGB V...

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