Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Kostenersatz bei schuldhaftem Verhalten. Nichterhebung der Einrede der Verjährung gegen einen nach § 1908i iVm § 1836e BGB auf die Staatskasse übergegangenen Anspruch eines Betreuers

 

Orientierungssatz

Die Nichterhebung der Einrede der Verjährung, die lediglich das Fortbestehen einer Schuldverpflichtung bewirkt, ist im Sozialhilferecht ebenso sanktionslos wie die Erbausschlagung.

 

Tenor

Die Bescheide vom 22.07.2015 und 20.04.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.07.2016 werden aufgehoben. Die Kosten des Verfahrens und die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt die Beklagte.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zum Kostenersatz nach § 103 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) in Höhe von 2.709,24 EUR.

Der Kläger ist seit dem 03.04.2009 Betreuer des 19xx geborenen S. T., der seit Jahren Leistungen von der Beklagten erhalten hatte. Der Leistungsbezug hatte zum 31.01.2013 geendet, weil der Leistungsempfänger eine Erbschaft, bestehend aus Bank- und Sparguthaben sowie einem Siebtel Miterbenanteil an einer Eigentumswohnung gemacht hatte.

Am 03.09.2013 beantragte der Kläger für Herrn T. erneut Leistungen nach dem SGB XII. Er gab an, dass dieser aktuell über Bank- und Sparguthaben in Höhe von 2.577,90 EUR verfüge, außerdem über den Anteil an der Eigentumswohnung. Er legte zwei Beschlüsse des Amtsgerichts in D. vom 08.07.2013 vor. Der eine Beschluss betraf die Rückforderung der aus der Landeskasse an den Betreuer gezahlten Vergütung für die Zeit vom 26.11.2003 bis zum 30.06.2012. Insoweit wurde eine Forderung in Höhe von 10.131,18 EUR festgesetzt, die von dem Leistungsempfänger aus seinem Vermögen zu zahlen sei. Der andere Beschluss betraf den Betreuervergütungsanspruch des Klägers gegen Herrn T. für die Zeit vom 01.07.2012 bis zum 31.03.2013, den das Gericht auf 1.356,75 EUR festsetzte.

Mit Bescheid vom 10.09.2013 bewilligte die Beklagte Herrn T. Leistungen nach dem 4. Kapitel SGB XII ab dem 01.09.2013 bis zum 30.06.2014 unter dem Vorbehalt der Rückforderung.

Mit Mail vom 24.09.2013 wies eine Mitarbeiterin des Landschaftsverbandes Rheinland die Beklagte darauf hin, dass ihrer Auffassung nach unter Berücksichtigung des Beschlusses des Bundesgerichtshofes vom 25.01.2012 XII ZB 497/11 die Rückforderung der Betreuervergütung durch das Amtsgericht nur für die letzten drei Jahre hätte erfolgen dürfen. Die Beklagte forderte den Kläger daraufhin auf, sich an das Amtsgericht in D. zu wenden, um eine Änderung des Beschlusses hinsichtlich der Rückforderung der Betreuervergütung, die aus der Landeskasse gezahlt worden war, zu erreichen. Das Amtsgericht in D. wies mit Schreiben vom 04.03.2014 darauf hin, dass die erst jetzt erhobenen Einreden verspätet seien, nur auf fristgerecht erhobene Einrede hätte die Verjährung berücksichtigt werden können. Die Rechtsmittelfrist sei abgelaufen. Weiter teilte der Kläger mit, dass er seinerzeit bei allen beteiligten Stellen nachgefragt habe, ob es eine Regelung bzw. Förmlichkeit zur Tilgung der Forderung gebe, keiner habe ihm hierzu Angaben machen können. Als der Hinweis auf die Rechtslage erfolgt sei, sei der Beschluss bereits rechtskräftig gewesen. Am 10.04.2014 sei dem Betreuten das Guthaben aus dem Verkauf der Eigentumswohnung auf dem Girokonto gutgeschrieben worden. Hiervon habe er, der Kläger, zunächst nichts gewusst, so dass der Betreute zunächst ungehindert über das Guthaben habe verfügen können. Nachdem er dies festgestellt habe, habe er veranlasst, dass das verbliebene Guthaben auf das Sparbuch umgebucht worden sei. Hierüber könne er nur mit Zustimmung des Amtsgerichts in D. verfügen, dieses beanspruche jedoch den das Schonvermögen übersteigenden Betrag in Höhe von 6.227,24 EUR für die Zahlung an die Landeskasse gemäß dem Beschluss vom 08.07.2013.

Die Gerichtskasse in D. machte mit Rechnung vom 16.10.2014 einen Betrag von 6.227,24 EUR aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts in D. geltend. Dieses teilte auf Anfrage mit, dass es sich hierbei um die Vergütungen aus der Zeit vom 26.11.2003 bis zum 31.12.2009 gehandelt habe. Der geforderte Betrag sei unter Berücksichtigung des Schonvermögens des Herrn T. ermittelt worden.

Mit Bescheid vom 22.07.2015 forderte die Beklagte von dem Kläger Kostenersatz nach § 103 SGB XII in Höhe von 6.227,24 EUR. Zur Begründung führte sie aus, dass zur Zeit des Beschlusses des Amtsgerichts (08.07.2013) alle vor 2010 entstandenen Forderungen verjährt gewesen seien. Der Kläger habe versäumt, die Einrede der Verjährung zu erheben. Hierdurch sei ein Schaden in der genannten Höhe entstanden. Der Hinweis des Klägers auf Unkenntnis sei nicht überzeugend. Vielmehr sei er verpflichtet gewesen, die Rechtslage aus eigenem Antrieb zu klären, sein Verhalten sei zumindest grob fahrlässig. Der Kläger habe daher durch vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten die Voraussetzungen für Hilfebedürftigkeit des Herrn T. herbeigeführt. Dieser hätte seinen Bedarf in Höhe vo...

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