Entscheidungsstichwort (Thema)

Überprüfungsantrag einer Regelaltersrente. früherer Rentenbeginn und rückwirkende Gewährung einer Rente nach dem ZRBG

 

Orientierungssatz

Bei Berechtigten des Personenkreises des § 1 ZRBG kann im Falle eines erstmaligen Rentenantrages noch vor Juli 2003 schon ab dem 1.7.1997 eine Rente beginnen, wenn bereits eine bestandskräftig gewordene Ablehnung des Rentenantrags vorlag und die Rente erst danach aufgrund eines Überprüfungsverfahrens unter Anwendung von § 44 SGB 10 oder § 100 Abs 4 SGB 6 bewilligt wurde.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 10.12.2013; Aktenzeichen B 13 R 53/11 R)

 

Tenor

1. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 29.03.2010 und Abänderung des Widerspruchsbescheides vom 24.08.2010 sowie unter Rücknahme des Bescheides vom 23.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.05.2005 verurteilt, die Regelaltersrente der Klägerin insofern nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen neu festzustellen, als die Rente bereits am 01.07.1997 beginnt, und dementsprechend eine weitere Nachzahlung für die Zeit vom 01.07.1997 bis 31.12.2004 zu zahlen.

2. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen.

3. Die Sprungrevision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darum, ob die der Klägerin nach den Vorschriften des ZRBG inzwischen bewilligte Regelaltersrente mit Rückwirkung und einer entsprechenden Nachzahlung erst ab dem 01.01.2005 zu beginnen hat, oder mit Rückwirkung schon ab dem 01.07.1997, mit der Folge einer gegebenenfalls weiteren Nachzahlung von ca. 12.753,00 EUR für die Zeit vom 01.07.1997 bis 31.12.2004. Dass sich gegebenenfalls dann auch der bisherige Zugangsfaktor - auch für die laufende Rente - ändert, ist den Beteiligten mitgeteilt worden und durch eine Probeberechnung - auch hinsichtlich der tatsächlichen Auswirkungen - verdeutlicht worden.

Die Klägerin ist am 00.00.1925 in Govorovo in Polen geboren und als polnische Jüdin in Polen nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen im Sinne des Bundesentschädigungsgesetzes ausgesetzt gewesen; entsprechende Ersatzzeiten und Verfolgungszeiten sind für die Zeit ab dem 20.12.1939 im Versicherungsverlauf anerkannt.

Die Klägerin beantragte erstmals eine Rente aus der deutschen Rentenversicherung am 25.09.2002. Sie machte im Antrag Ghetto-Beitragszeiten nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) geltend. Sie habe im Ghetto von Warschau während des dortigen Zwangsaufenthaltes in der Zeit von Oktober 1940 bis März 1943 innerhalb des Ghettos als Schneiderin gearbeitet und dafür Lebensmittelverpflegung erhalten. Die Tätigkeit sei durch den Judenrat vermittelt worden. Im März 1943 habe sie aus dem Ghetto von Warschau fliehen können und sich dann im anderen Teil von Warschau versteckt, bis zum Einmarsch der russischen Armee und der Befreiung im Januar 1945. Nach der Befreiung hielt sich die Klägerin noch bis Mai 1957 in Polen auf und wanderte dann nach Israel aus und nahm die israelische Staatsangehörigkeit an.

Mit dem Bescheid vom 23.12.2004 lehnte die Beklagte die Zahlung einer Rente ab, weil die Voraussetzungen zur Anerkennung von - auf die Wartezeit anrechenbaren - Beitragszeiten nach § 1 ZRBG nicht erfüllt seien. Es habe nämlich, so die Beklagte damals, eine "entgeltliche" Beschäftigung im Sinne des ZRBG nicht vorgelegen und überdies auch eher Zwangsarbeit denn eine aus eigenem Willensentschluss aufgenommene Beschäftigung.

Der gegen diesen Bescheid am 30.12.2004 erhobene Widerspruch hatte keinen Erfolg. Mit Widerspruchsbescheid vom 24.05.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und blieb dabei, dass schon kein "Entgelt" im Sinne des § 1 ZRBG anzunehmen sei. Allein Entlohnung durch Lebensmittel, wie ursprünglich im Rentenantrag angegeben, erfülle nämlich nicht den Entgelt-Begriff, wie im übrigen inzwischen das Bundessozialgericht mit Urteil vom 07.10.2004 (B 13 RJ 59/03 R) bestätigt habe. Der Widerspruchsbescheid wurde nicht angefochten.

Wegen der Einzelheiten des Ablaufs des Verwaltungsverfahrens einschließlich Widerspruchsverfahrens wird Bezug genommen auf den Inhalt der Verwaltungsakte.

Am 24.07.2009 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Überprüfung der bisherigen Bescheide unter Bezug auf diverse Entscheidungen des Bundessozialgerichts zum ZRBG vom 02. und 03. Juni 2009. Nach Vorlage einer Lebens- und Staatsangehörigkeits-Bescheinigung gewährte die Beklagte mit dem angefochtenen Rentenbescheid vom 29.03.2010 (der sich nach Blatt 133 der Verwaltungsakte befindet) eine Regelaltersrente. Die Anspruchsvoraussetzungen seien dem Grunde nach seit dem 19.12.1990 erfüllt, heißt es in dem Bescheid. Ghetto-Beitragszeiten erkannte die Beklagte, dem Vortrag der Klägerin entsprechend, ab Oktober 1940 an (vom 02.10.1940 bis 31.03.1943), und im übrigen außerhalb der Ghetto-Beitragszeiten Ersatzzeiten bzw. dementsprechende weitere Pflichtbeitragszeiten im Zeitraum vom 20.12.1939 bis 31.12.1949. Die Rente beginnt nach dem Rentenbescheid am 01.01.2...

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