Orientierungssatz

Parallelentscheidung zum Urteil des SG Düsseldorf vom 7.4.2011 - S 27 R 1952/10, das vollständig dokumentiert ist.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 31.10.2012; Aktenzeichen B 13 R 65/11 R)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Sprungrevision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die rückwirkende Gewährung einer Rente streitig.

Die ... 1932 in Z... geborene Klägerin ist anerkannte Verfolgte des Nationalsozialismus und hat eine Entschädigung nach dem Bundesentschädigungsgesetz (BEG) erhalten. Sie besitzt heute die israelische Staatsangehörigkeit. Am 24.10.2002 beantragte sie bei der Beklagten die Gewährung einer Altersrente unter Anerkennung von Ghettobeitragszeiten auf der Grundlage des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG). Sie habe im Ghetto T... Reinigungs- und Feldarbeiten verrichtet und sei dann nach Z... überführt worden. Sie sei auf dem Weg von und zur Arbeit bewacht worden, für die Tätigkeit habe sie Nahrungsmittel am Arbeitsplatz erhalten. Mit Bescheid vom 28.06.2004 lehnte die Beklagte den Rentenantrag der Klägerin ab. Nach dem ZRBG seien keine Versicherungszeiten anrechenbar. In T... habe es kein Ghetto, sondern lediglich ein Zwangsarbeitslager gegeben. Hiergegen erhob die Klägerin keine Rechtsmittel.

Am 16.07.2009 beantragte die Klägerin bei der Beklagten erneut die “Anerkennung einer Altersrente„ rückwirkend ab Juli 1997 und wies hierbei auf die geänderte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum ZRBG aus den Urteilen vom 02.06. und 03.06.2009 hin. Sie machte geltend, im Ghetto T... gearbeitet und hierfür mit Essen entlohnt worden zu sein. Diesem Antrag entsprach die Beklagte zum Teil mit Bescheid vom 30.03.2010 und gewährte der Klägerin Regelaltersrente ab dem 01.01.2005. Ab dem 01.04.2010 seien 93,91 € monatlich zu zahlen, die Nachzahlung für den Zeitraum 01.01.2005 bis 31.03.2010 betrage 6.299,82 €. Für die Zeit davor sei die Rente nicht zu gewähren, da bei der Rücknahme von Bescheiden die Leistung längstens für einen Zeitraum bis zu 4 Jahren vor der Rücknahme erbracht werde. Ferner betrage der Zugangsfaktor für die Rente 1,435; der eigentlich für die Altersrente vorgesehene Zugangsfaktor von 1,0 sei für jeden Monat, den die Rente trotz erfüllter Wartezeit nach Erreichen der Regelaltersgrenze nicht in Anspruch genommen worden sei, um 0,005 zu erhöhen. Daraus folge hier eine Erhöhung um 87 Kalendermonate, da die Klägerin die Voraussetzungen für die Altersrente seit dem 26.09.1997 erfülle.

Die Klägerin widersprach und machte geltend, die Rente sei unter Berücksichtigung von § 3 ZRBG ab dem 01.07.1997 zu zahlen. § 3 ZRBG mit der dort festgelegten Fiktion, dass ein bis zum 30.06.2003 gestellter Antrag auf Rente als am 18.06.1997 gestellt gelte, sei lex specialis gegenüber dem von der Beklagten angewandten vierjährigen Anspruchsausschluss aus § 44 Abs. 4 Zehntes Sozialgesetzbuch (SGB X). Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.08.2010 zurück. Die Klägerin könne die Rente nur für die letzten 4 Jahre vor ihrem Überprüfungsantrag beanspruchen. Das folge aus der anspruchsvernichtenden Wirkung des § 44 Abs. 4 SGB X. Der Anspruchsausschluss trete auch dann ein, wenn der Versicherungsträger bei Erlass des rechtswidrigen Verwaltungsaktes schuldhaft gehandelt habe. Diese Vorschrift stelle eine ausgewogene Gesamtregelung dar, die zwischen dem Interesse des Einzelnen an einer möglichst vollständigen Erbringung der ihm zu Unrecht vorenthaltenen Sozialleistung einerseits und dem Interesse der Solidargemeinschaft aller Versicherten an einer möglichst geringen finanziellen Belastung mit Ausgaben für zurückliegende Zeiträume andererseits vermittle. Das BSG halte die Vorschrift für verfassungsmäßig. Die Beklagte sehe keinen Anlass, § 44 Abs. 4 SGB X in ZRBG-Fällen nicht anzuwenden. Insbesondere erfolge die Anwendung der Vorschrift nicht gleichheitswidrig, da alle Betroffenen rückwirkend Leistungen für maximal 4 Jahre erhielten. Auch das ZRBG enthalte keine abweichende Regelung und bestimme nur für die bis zum 30.06.2003 gestellten Anträge die Rückwirkung zum 01.07.1997.

Mit ihrer am 30.08.2010 erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Sie ist über die Widerspruchsbegründung hinaus der Auffassung, das BSG habe bereits mit Urteil vom 03.05.2005 (B 13 RJ 34/04) zu einer ähnlichen Fallkonstellation entschieden, das ZRBG enthalte Sonderrecht und bezwecke die Rentengewährung ab dem 01.07.1997. Ferner verstoße die von der Beklagten getroffene Entscheidung gegen Art. 3 Grundgesetz (GG). Es sei kein sachlicher Grund für die unterschiedliche Behandlung von Rentenansprüchen ersichtlich, der es rechtfertige, diejenigen, die nicht gegen die unhaltbare rechtswidrige Ablehnungspraxis der Beklagten vorgegangen seien, schlechter zu stellen, als diejenigen, die prozessiert hätten. Schließlich sei spätestens nach dem Vorlagebeschluss des 4. Senats des BSG vom 21.12.2007 klar gewes...

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