rechtskräftig

 

Tenor

Der Beklagte wird verurteilt, unter Abänderung des Bescheides vom 11.05.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.09.2001 einen Gesamt-GdB von 50 festzustellen. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten in einem Verfahren nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch - SGB IX - um die Höhe des Grades der Behinderung -GdB-.

Die 1992 geborene Klägerin stellte im April 2001 einen Antrag auf Feststellung eines GdB nach dem damals noch geltenden Schwerbehindertengesetz (inzwischen SGB IX).

Der Beklagte holte daraufhin Befundberichte von den Ärzten der Klägerin ein und erteilte unter dem 11.05.2001 einen Bescheid, wonach die Behinderung juveniler Diabetes mellitus einen GdB von 40 bedingt.

Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein, den sie damit begründete, bei ihr bestünde die ständige Gefahr von Hypoglykämien. Der GdB sei daher anzuheben. Mit dem Widerspruch überreichte die Klägerin unter anderem Blutzuckermessprotokolle und eine Kopie der Krankenakte der Diakonie E.

Der Beklagte ließ die Klägerin daraufhin amtsärztlich von Frau Obermedizinalrätin Dr. M-D begutachten.

Mit Bescheid vom 10.09.2001 wies der Beklagte den Widerspruch als sachlich unbegründet zurück und führte aus, bei der Klägerin hätten bislang schwere Stoffwechselentgleisungen und akut ambulante bzw. stationäre notfallärztliche Versorgung vermieden werden können. Der GdB sei daher nur mit 40 zu bewerten.

Hiergegen richtet sich die am 08.10.2001 bei Gericht eingegangene Klage, mit der die Klägerin vorträgt, nach den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit" - Anhaltspunkten - sei der GdB für einen juvenilen, schwer einstellbaren Diabetes mellitus mit 50 zu bewerten. Bei der Klägerin liege ein solcher - schwer einstellbarer - Diabetes vor.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, unter entsprechender Abänderung des Bescheides vom 11.05.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.09.2001 einen Gesamt-GdB von 50 festzustellen.

Der Beklagte ist der Auffassung, bei der Klägerin kämen ausgeprägte Hypo- oder Hyperglykämien nicht vor. Ein höherer GdB als 40 sei daher nicht vertretbar.

Das Gericht hat das (ehemalige) Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung dazu befragt, wie die "Anhaltspunkte" bezüglich des Diabetes mellitus zu verstehen seien. Der BMA hat dazu mit Schreiben vom 15.04.2002 geantwortet:

"Die früher übliche Abgrenzung von Typ I und Typ II Diabetes mellitus aufgrund des Erkrankungsalters ist überholt. So entwickeln z.B. immer mehr Kinder einen Typ II Diabetes mellitus. Daher empfahlen die im Rahmen der Überarbeitung der "Anhaltspunkte" gehörten Sachverständigen die in der Nr. 25.15, Seite 118, 119 dieser Richtlinien wiedergegebene Änderung. Die "Anhaltspunkte" (Ausgabe 1996) sagen gerade nicht (mehr), dass ein Diabetes mellitus bei Kindern grundsätzlich schwer einstellbar sei.

Der Klammerzusatz "häufig bei Kindern" ist jedoch medizinisch berechtigt (z.B. wegen des höheren Insulinbedarfs im Wachstumsalter, Ungenauigkeit der Dosierung bei niedrigem Körpergewicht). Der ärztliche Sachverständige soll dadurch an die Besonderheiten des Kindesalters erinnert werden. Eine Regelhaftigkeit wird damit nicht unterstellt.

"Einstellbarkeit" des Diabetes mellitus ist ein klinischer Begriff, der sich nicht alleine an der Häufigkeit oder Schwere von Hypoglykämien festmachen lässt. Jedoch ist es richtig, dass ein Diabetes mellitus mit wesentlichen Hypoglykämien - unabhängig von der Qualität der Diätführung - einen höheren GdB/MdE-Wert rechtfertigt als ein Diabetes mellitus ohne solche Hypoglykämien."

Außerdem hat das Gericht ein medizinisches Sachverständigengutachten von dem Deutschen Diabetes-Forschungsinstitut, Prof. Dr. T, eingeholt. Der Sachverständige hat unter Anderem ausgeführt:

"Bei dem Begriff der Einstellbarkeit handelt es sich um einen "klinisches Begriff", der beschreiben soll, wie leicht die allgemeinen Therapieziele werden können. Als allgemeine Therapieziele müssen sowohl das Vermeiden von Hyperglykämien (erhöhten Blutzuckerwerten) sowie das Vermeiden von Hypoglykämien (Unterzuckerungen) angesehen werden. Letztendlich handelt es sich hierbei abschließend um eine qualitative, vergleichende Beurteilung. Problematisch erscheint hier jedoch, dass sowohl der a) Therapieaufwand im Sinne des Therapiekonzeptes (z.B. 1-2 Spritzenregime (1-2 Injektionen/Tag) vs. 4-Spritzenregime (4 Injektionen/Tag)) als auch b) die primäre Motivation des Patienten zur Therapie neben den sogenannten nicht beeinflussbaren körperlichen Faktoren eine entscheidende Rolle spielen. Wie in einer Stellungnahme des Ausschuss Soziales der Deutschen Diabetes Gesellschaft ("Einstufung des Grades der Behinderung bei Diabetes mellitus" s. Anlage) formuliert, halten wir daher die Orientierung des Grades der Behinderung (GdB) am Kriterium der Einstellbarkeit für sehr problematisch, da sie a priori und Ungleichbehandlung begünstigt. Ein mit einem erheblichen Therapieaufwand (z.B. 4...

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