Nachgehend

BSG (Urteil vom 25.04.2018; Aktenzeichen B 8 SO 20/16 R)

 

Tenor

Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 29.04.2013 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 27.06.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.10.2013 verurteilt, der Klägerin für den Zeitraum vom 01.05.2013 bis 22.05.2013 weitere Leistungen nach dem SGB XII in Höhe von 254,67 EUR zu gewähren.

Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im vorliegenden Verfahren darum, ob die Klägerin von der Beklagten im Zeitraum vom 01.05.2013 bis 22.05.2013 die Gewährung von Leistungen nach dem 3. Kapitel des SGB XII unter Berücksichtigung des Regelbedarfs beanspruchen kann.

Die am 00.00.1979 geborene Klägerin ist türkische Staatsangehörige. Sie ist voll erwerbsgemindert auf Zeit und bezieht bereits seit 2011 Leistungen nach dem 3. Kapitel des SGB XII bei der Beklagten. Mit Bescheid vom 27.03.2013 gewährte die Beklagte ihr Leistungen für den Monat April 2013 in Höhe von 575,99 EUR. Am 02.04.2013 flog die Klägerin in die Türkei, wo sie ihren an Lungenkrebs erkrankten Vater besuchen wollte, wie sie zuvor der Beklagten mitgeteilt hatte. Mit Bescheid vom 29.04.2013 entschied die Beklagte, dass die Leistung für Mai 2013 vorläufig eingestellt werde. Hiergegen legte die Klägerin am 15.05.2013 Widerspruch ein. Ihr Vermieter drohe wegen des ausbleibenden Mietzinses mit der Zwangsräumung; spätestens bei Ausbleiben der nächsten Monatsmiete könne eine fristlose Kündigung aufgrund von Mietrückständen ausgesprochen werden. Am 22.05.2013 kehrte die Klägerin aus der Türkei zurück. Mit Bescheid vom 27.06.2013 gewährte die Beklagte sodann Leistungen in Höhe von 575,99 EUR für die Monate Juni und Juli 2013. Für die Zeit vom 02.04.2013 bis 22.05.2013 habe sich die Klägerin in der Türkei aufgehalten. Für diesen Zeitraum würden keine Leistungen gezahlt, da sie sich tatsächlich nicht im Geltungsbereich des SGB XII aufgehalten habe. Dementsprechend würden für den Monat Mai 2013 Leistungen in Höhe von 65,03 EUR gewährt. Mit Widerspruchsbescheid vom 21.10.2013 half der Kreis Lippe dem Widerspruch teilweise dahingehend ab, dass für den Monat Mai 2013 ein Anspruch auf Gewährung von Sozialhilfe in Höhe der Unterkunfts- und Heizkosten für den gesamten Monat sowie der Regelleistung ab dem 22.05. 2013 bestünde, insgesamt 320,78 EUR. Im Übrigen wies er den Widerspruch als unbegründet zurück. In der Zeit vom 01.05.2013 bis 21.05.2013 sei der Regelsatz nicht zu gewähren. Gemäß § 98 Abs. 1 S. 1 SGB XII sei örtlich zuständig der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich sich die Leistungsberechtigten tatsächlich aufhielten. Tatsächlich habe die Klägerin sich in der Zeit vom 02.04.2013 bis 21.05.2013 in der Türkei und nicht in Bad Salzuflen aufgehalten. Das BVerwG habe dazu im Jahre 1998 entschieden, dass bei einem vorübergehenden besuchsweisen Aufenthalt außerhalb des örtlichen Zuständigkeitsbereichs der im Inland entstehende Bedarf - z.B. Unterkunftskosten und Krankenversicherungsbeiträge - zu decken sei, nicht jedoch der im Ausland entstehende Bedarf für den Lebensunterhalt. Der Regelsatz könne daher erst ab der Rückkehr gezahlt werden.

Hiergegen hat die Klägerin am 14.11.2013 Klage erhoben. Zur Begründung führt sie aus: Zunächst sei auf die Rechtsprechung des BVerwG zu verweisen, wonach Leistungen auch für die Dauer einer Urlaubsreise zu gewähren seien, wenn das entstandene Erholungsbedürfnis während der Anwesenheit des Leistungsberechtigten im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Trägers entstanden sei. Im konkreten Fall sei es nicht um eine Urlaubsreise gegangen, sondern um das Bedürfnis, von dem eigenen Vater Abschied zu nehmen. Diese Möglichkeit müsse auch Sozialhilfeempfängern im Hinblick auf Art. 6 GG gewährt werden. Desweiteren sei zu beanstanden, dass die Beklagte zwar den Regelsatz lediglich mit 127,33 EUR ab dem 22.05.2013 ansetze, allerdings den vollen Rentenbetrag in Höhe von 216,55 EUR als Einkommen absetze. Hier sei dann zu beachten, dass die Klägerin den Rentenbetrag bereits zuvor für ihren Bedarf verbraucht habe.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 29.04.2013 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 27.06.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.10.2013 zu verurteilen, ihr für den Zeitraum vom 01.05.2013 bis 22.05.2013 weitere Leistungen nach dem SGB XII in Höhe von 254,67 EUR zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt sie aus: Der Klägerin seien für den gesamten Abwesenheitszeitraum Unterkunftskosten gewährt worden sowie im April 2013 auch der Regelsatz der Regelbedarfsstufe 1. Die Vorgehensweise entspreche dem Urteil des BVerwG, da der Bedarf erst in der Türkei und damit nicht im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Beklagten entstanden sei. Es sei nicht Aufgabe der Sozialhilfe, den im Ausland entstehenden Bedarf zu decken. Eine Verletzung des Grundrechts aus Art. ...

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