Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld. Bemessungsentgelt. nachträgliche Anerkennung höherer Arbeitsentgeltansprüche durch den Insolvenzverwalter. Nichtzahlung aufgrund der Insolvenz. Anwendung der Zuflussfiktion des § 134 Abs 1 S 2 SGB 3

 

Orientierungssatz

1. Für die Anwendung der Zuflussfiktion des § 134 Abs 1 S 2 Alt 2 SGB 3 kommt es nicht darauf an, dass das Arbeitsentgelt bereits im Bemessungszeitraum in der zutreffenden und für das Arbeitslosengeld maßgeblichen Höhe abgerechnet war. Vielmehr genügt es, dass bestimmte Entgeltzeiträume abgerechnet waren und dass der Versicherte bei seinem Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis für diese Zeiträume einen Entgeltanspruch in bestimmter Höhe hat, egal ob dieser schon befriedigt wurde oder nicht. Die Frage der Abrechnung ist demnach nur für die Ermittlung des Bemessungszeitraums, aber nicht für die Ermittlung der in dem Bemessungszeitraum zu berücksichtigenden Entgelte maßgeblich.

2. Auch muss die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers nicht bereits bei Entstehung des Anspruchs, dh im Zeitpunkt der ursprünglichen Fälligkeit der streitigen Lohnforderung bestanden haben. Schon aus der Formulierung der Vorschrift "Arbeitsentgelte, auf die der Arbeitslose beim Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis einen Anspruch hatte" folgt, dass im Zeitpunkt des Ausscheidens nur der Anspruch auf die Arbeitsentgelte bestanden haben muss, nicht schon die Zahlungsunfähigkeit. Diese muss vielmehr erst dann vorliegen, wenn der Arbeitgeber auf den nachträglich festgestellten Anspruch tatsächlich zahlen musste.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 05.12.2006; Aktenzeichen B 11a AL 43/05 R)

LSG Sachsen-Anhalt (Urteil vom 19.05.2005; Aktenzeichen L 2 AL 2/02)

 

Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 14 April 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2000 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Bescheid vom 26. April 1999 und die hierzu ergangenen Folgebescheide dahingehend abzuändern, dass der Berechnung des Arbeitslosengeldes für die Monate April 1998 bis März 1999 ein Entgelt in Höhe von 35.230,44 DM zugrunde gelegt wird.

3. Die Beklagte hat der Klägerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Zahlung eines höheren Arbeitslosengeldes bei nachträglicher Anerkennung höherer Entgeltansprüche durch den Insolvenzverwalter, wobei aufgrund der Insolvenz Entgeltnachzahlungen nicht erfolgten.

Die Klägerin war bis zum 31. März 1999 bei der D GmbH (DGG) als Montagearbeiterin beschäftigt. Die Beschäftigung endete durch Freistellung durch den Insolvenzverwalter bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis zum 31. März 1999. Vorausgegangen war die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der D G GmbH am 30. März 1999.

Die DGG war bis zum 31. Dezember 1997 Mitglied des Arbeitgeberverbandes der Metall- und Elektroindustrie Sachsen-Anhalt e. V. Am 17. März 1997 schlossen der Verband der Metall- und Elektroindustrie Sachsen-Anhalt e. V. und die Industriegewerkschaft Metall, Bezirksleitung H, eine Härtefallregelung nach den Bestimmungen des Lohn- und des Gehalttarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer bzw. die Angestellten in der Metall- und Elektroindustrie Sachsen-Anhalt. Danach betrugen die tariflichen Löhne und Gehälter ab dem 1. April 1998 92,5 %, ab dem 1. September 1998 94 % und ab dem 1. November 1998 100 % der tariflichen Löhne und Gehälter.

Am 22. Juni 1998 wurde zwischen den Tarifvertragsparteien eine weitere tarifliche Härtefallregelung geschlossen, die unter Ziff. 5 die folgende Bedingung enthielt:

"Diese Härtefallregelung ist rechtswirksam unter der Voraussetzung, dass für die o. g. Firma eine ungekündigte und unbefristete Mitgliedschaft im Verband der Metall- und Elektroindustrie Sachsen-Anhalt e. V. besteht."

Entgegen den tarifvertraglichen Vereinbarungen zahlte die DGG auch über den 1. April 1998 hinaus Entgelte nur in Höhe der bis dahin gültigen Absenkung auf 88,5 % der tariflichen Löhne und Gehälter aus.

Die Klägerin ist Mitglied der IG Metall. Zudem bestimmt § 2 des zwischen der Klägerin und der DGG geschlossenen Arbeitsvertrages, dass sich das Anstellungsverhältnis "nach dem Tarifvertrag IG Metall S/A und den diesen ergänzenden, ändernden und ersetzenden Tarifverträgen in der für den Arbeitgeber geltenden Fassung" bestimme. Zudem fänden die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen Anwendung.

Bereits am 31. März 1999 meldet sich die Klägerin bei der Beklagten zum 1. April 1999 arbeitslos und beantragte die Zahlung von Arbeitslosengeld. In einer Arbeitsbescheinigung vom 16. April 1999 gab die DGG gegenüber der Beklagten an, dass die Klägerin für die Monate April 1998 bis März 1999 Anspruch auf ein Entgelt in Höhe von insgesamt 33.282,68 DM habe, dass auf Grund Akkordlohns Tariflohnänderung monatlich schwankte.

Mit Bescheid vom 26. April 1999 bewilligte die Beklagte der Klägerin Arbeitslosengeld ab dem 1. April 1999...

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