Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der Befreiung eines Syndikusrechtsanwalts von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung

 

Orientierungssatz

1. Eine Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB 6 wirkt nach § 231 Abs. 4b S. 1 SGB 6 auf Antrag vom Beginn derjenigen Beschäftigung an, für die die Befreiung von der Versicherungspflicht erteilt wird.

2. Auf eine Kammermitgliedschaft des Rechtsanwalts kommt es nicht an, weil der Status als Syndikusanwalt und derjenige als Rechtsanwalt von unterschiedlichen Voraussetzungen abhängen (BSG Beschluss vom 22. 3. 2018, B 5 RE 12/17 B).

3. Für eine Befreiung von der Versicherungspflicht ist nach § 231 Abs. 4b S. 2 SGB 6 die Pflichtmitgliedschaft des Syndikusanwalts in einem berufsständischen Versorgungswerk erforderlich. Eine freiwillige Mitgliedschaft genügt nicht.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 26.02.2020; Aktenzeichen B 5 RE 2/19 R)

 

Tenor

1. Der Bescheid vom 22.11.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.05.2017 wird aufgehoben. Der Kläger wird auch im Zeitraum vom 16.02.2016 bis 29.06.2016 nach § 231 Abs. 4b, 4c SGB VI von der Versicherungspflicht befreit.

2. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für den Zeitraum 24.9.2014 bis 29.6.2016.

Der 1980 geborene Kläger wurde am 31.5.2012 bei der Rechtsanwaltskammer B-Stadt zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom 14.9.2012 wurde er für die Tätigkeit als stellvertretender Geldwäschebeauftragter bei der C. GmbH von der Rentenversicherungspflicht befreit.

Am 1.7.2014 begann er eine Beschäftigung als Compliance Generalist Senior Professional bei der D. Bank AG. Der Kläger wurde zum 11.9.2014 in die Rechtsanwaltskammer München aufgenommen. Aufgrund der Urteile des BSG vom 3.4.2014 verzichtete er auf die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft. Die Zulassung wurde am 23.9.2014 widerrufen. Der Kläger war ab 14.9.2014 freiwilliges Mitglied des zuständigen Versorgungswerks.

Am 16.2.2016 begann der Kläger erneut eine Beschäftigung bei der C. GmbH. Auf seinen Antrag vom 18.3.2016 wurde der Kläger durch Bescheid der Rechtsanwaltskammer B-Stadt vom 31.5.2016 als Syndikusrechtsanwalt zugelassen. Die Urkunde wurde dem Kläger am 30.6.2016 ausgehändigt. Der Kläger wurde durch Bescheid der Beklagten vom 10.8.2016 ab 30.6.2016 von der Rentenversicherungspflicht befreit. Weiterhin wurde der Kläger durch Bescheid der Beklagten vom 22.11.2016 für die Zeit vom 1.7.2014 bis 23.9.2014 von der Rentenversicherungspflicht befreit.

Mit Bescheid vom 22.11.2016 lehnte die Beklagte die rückwirkende Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für die Beschäftigungen bei der D. Bank AG und der C. GmbH für die Zeit vom 24.9.2014 bis 29.6.2016 ab. Eine Befreiung nach § 231 Abs. 4b SGB VI könne nur für eine Beschäftigung ausgesprochen werden, sofern u.a. in dieser Zeit eine Pflichtmitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk und in einer Rechtsanwaltskammer bestanden habe. Der Kläger sei nicht Pflichtmitglied in einer Rechtsanwaltskammer gewesen, weil er auf die Zulassung zum 24.9.2014 verzichtet habe. Die Voraussetzungen für eine rückwirkende Befreiung von der Rentenversicherungspflicht lägen daher nicht vor.

Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Zwar habe im streitgegenständlichen Zeitraum keine Pflichtmitgliedschaft in einer Rechtsanwaltskammer bestanden. Er verweist auf § 231 Abs. 4c SGB VI, der eine Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung fingiere. Für die Zeit ab 16.2.2016 sei eine Befreiung auch deshalb zu erteilen, da eine Befreiung ab 30.6.2016 erfolgt sei und eine Befreiung von der Versicherungspflicht auf Antrag vom Beginn derjenigen Beschäftigung an wirke, für die die Befreiung von der Versicherungspflicht erteilt wurde.

Mit Bescheid vom 8.2.2017 verfügte die Beklagte, Beiträge des Klägers für die Zeit vom 1.7.2014 bis 29.6.2016 seien zu Unrecht gezahlt. Der Bescheid vom 8.2.2017 wurde durch Bescheid vom 29.3.2017 zurückgenommen. Die Beiträge wurden nur bis 23.9.2014 beanstandet. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Der Widerspruch wurde bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Befreiung von der Versicherungspflicht ruhend gestellt.

Mit Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 18.5.2017 wurde der Widerspruch gegen den Bescheid vom 22.11.2016 zurückgewiesen. Eine Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung in der Zeit vom 24.9.2014 bis 29.6.2016 komme nicht in Betracht, da der Kläger die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft widerrufen habe. Am 9.6.2017 hat der Kläger vor dem SG Darmstadt Klage erhoben. Er meint, für den Zeitraum 24.9.2014 bis 15.2.2016 sei eine Pflichtmitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk gem. § 231 Abs. 4c SGB VI zu fingieren. ...

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