Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch des an einem Lipödem der Oberschenkel erkrankten Versicherten auf Kostenübernahme für eine Liposuktion. Fettabsaugung. durch die Krankenkasse

 

Orientierungssatz

1. Bei einem Lipödem der Oberschenkel handelt es sich um eine behandlungsbedürftige Krankheit i. S. von § 27 SGB 5. Die Ursache des Lipödems ist unbekannt. Derzeit ist eine gesicherte Behandlung des Lipödems nicht bekannt.

2. Außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung wird seit 10 Jahren zur Behandlung eines Lipödems die Liposuktion -Fettabsaugung - durchgeführt. Ist eine komplexe physikalische Entstauungstherapie als konservative Therapie beim Versicherten nicht erfolgreich gewesen, so hat der Versicherte Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine Liposuktion durch die Krankenkasse.

3. Zur Wirksamkeit der Liposuktion bei der Behandlung eines Lipödems hat der Gemeinsame Bundesausschuss ein Prüfverfahren eingeleitet. Unabhängig hiervon besteht ein Versorgungsanspruch des Versicherten unter dem Gesichtspunkt des Systemmangels, weil derzeit ein Lipödem im System der vertragsärztlichen Versorgung nicht wirksam behandelt werden kann.

 

Tenor

I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 01.11.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2013 verurteilt, die Kosten für die Liposuktion zur Behandlung des Lipödems der Oberschenkel der Klägerin zu übernehmen.

II. Die Beklagte hat der Klägerin deren notwendig entstandene außergerichtliche Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Kostenübernahme für eine Liposuktion.

Die 1983 geborene Klägerin beantragte am 18.10.2012 die Kostenübernahme für Liposuktionen der Hüften, Oberschenkel, Unterschenkel und der Arme.

Mit streitigem Bescheid vom 01.11.2012 lehnte die Beklagte den Antrag auf Kostenübernahme ab. Die von der Klägerin beantragte Behandlungsmethode gehöre nicht zum Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenversicherung, da der diagnostische und therapeutische Nutzen, die Wirksamkeit sowie die medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit nicht einwandfrei belegt seien. Entsprechende Studien dazu würden nicht vorliegen.

Nach Widerspruch vom 27.11.2012 erstellte der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) das Gutachten vom 13.05.2013 nach Befunderhebung im MDK. Eine Liposuktion könne grundsätzlich ambulant durchgeführt werden. Im ambulanten Bereich handele es sich bei der Liposuktion um eine neue Behandlungsmethode. Voraussetzung für die Kostenübernahme sei hierbei u. a. eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung. Schon diese Voraussetzung liege nicht vor.

Dementsprechend wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19.07.2013 als unbegründet zurück.

Dagegen hat die Klägerin über ihren Prozessbevollmächtigten am 19.08.2013 Klage erhoben, mit der Begründung vom 02.09.2013. Die Klägerin leide unter einem Lipödem im Stadium II. Hierfür gebe es nur die Liposuktion als einzige adäquate Behandlungsmethode. Der Bevollmächtigte der Klägerin verweist auf ein Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 01.03.2012, Az.: S 10 KR 189/10, das in einem vergleichbaren Fall die Krankenkasse zur Kostenübernahme verurteilte.

In der Klageerwiderung vom 14.10.2013 verweist die Beklagte darauf, dass der durch das Sozialgericht Chemnitz entschiedene Fall als Einzelfall nicht verallgemeinerungsfähig sei. Überdies habe zum Beispiel das Landessozialgericht Baden-Württemberg in einer Entscheidung vom 27.07.2012, Az.: L 4 KR 595/11, die Ansicht der Beklagten vollumfänglich unterstützt. Behandlungsmethode seien die komplexe physikalische Entstauungstherapie kombiniert mit einer Kompressionstherapie. Die wissenschaftliche Diskussion zur Behandlung von Lipödemen sei derzeit noch nicht abgeschlossen.

Mit Schriftsatz vom 10.12.2013 verwies der Bevollmächtigte der Klägerin darauf, dass sich die Klägerin seit 2011 in ständiger Behandlung befand. Eine Besserung des Zustandes sei jedoch nicht eingetreten.

Mit Schriftsatz vom 17.12.2014 verwies die Beklagte darauf, dass seit dem 22.05.2014 ein Antragsverfahren bei dem Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) zur Frage der Behandlung eines Lipödems durch Liposuktion anhängig sei. Ein Abschlusszeitpunkt der Untersuchung sei nicht absehbar.

Auf Anfrage des Gerichts vom 24.03.2015 verwies der Gemeinsame Bundesausschuss mit Schreiben vom 13.04.2015 im Ergebnis darauf, dass endgültige Aussagen zur Verfahrensdauer zum damaligen Zeitpunkt nicht getroffen werden konnten. Das Schreiben vom 13.04.2015 hat im Wesentlichen folgenden Inhalt:

"Sehr geehrte Damen und Herren,

vielen Dank für Ihre Anfrage an den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA). Sie ist am 31. März 2015 in der Geschäftsstelle des G-BA eingegangen und wird durch die Geschäftsführung des Unterausschusses Methodenbewertung beantwortet.

Am 22. Mai 2014 hat der G-BA einen Antrag gemäß §§ 135 Abs. 1 und 137c Abs. 1 SGB V auf Bewertung der Methode 'Liposuktion bei Lipödem' angenommen und den Unterausschuss Methodenbewertung mit der Durchführung des Be...

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