Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Bedarfsgemeinschaft. Zugehörigkeit des Ehegatten auch bei fehlender eigener Hilfebedürftigkeit. Altersrentenbezieher. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bezieher von Altersrenten gehören trotz des Ausschlusses eigener Leistungen (§ 7 Abs 4 SGB 2) unter den Voraussetzungen des § 7 Abs 3 SGB 2 zur Bedarfsgemeinschaft, so dass deren Altersrente entsprechend § 9 Abs 2 S 1 SGB 2 zu berücksichtigen ist; der unterhaltsrechtliche Selbstbehalt ist für die Ermittlung des zu berücksichtigenden Einkommens innerhalb dieser ohne Bedeutung (entgegen SG Chemnitz vom 8.12.2005 - S 6 AS 260/05).

2. Die Vorschrift des § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst a SGB 2 iVm § 7 Abs 4 SGB 2 ist nicht so zu verstehen, dass zur Bedarfsgemeinschaft nur der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte gehört, der Leistungen nach dem SGB 2 erhalten kann, da es möglicherweise eine verfassungsrechtlich unzulässige, da sachlich nicht zu rechtfertigende (Art 3 Abs 1 GG) Privilegierung dieser Personengruppe darstellen würde (entgegen SG Chemnitz aaO).

 

Tenor

I. Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Antragstellerin begehrt von der Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II).

Die 1947 geborene Antragstellerin, deren Ehemann Altersrente in Höhe von 970,45 €/mtl. sowie seit dem 01.04.2005 Leistungen nach dem Beruflichen Rehabilitationsgesetz (BerRehaG) in Höhe von 123,00 €/mtl. bezieht, beantragte am 06.10.2004 die Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II.

Mit Bescheid vom 17.12.2004 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag der Antragstellerin mit der Begründung ab, sie sei aufgrund ihrer Einkommensverhältnisse nicht hilfebedürftig, weil ihr Ehemann mit seiner Altersrente seinen eigenen Bedarf decken könne und das übersteigende Einkommen bei ihr bedarfsmindernd zu berücksichtigen sei.

Hiergegen legte die Antragstellerin am 28.12.2004 Widerspruch ein und begründete diesen im Wesentlichen damit, die Altersrente ihres Ehegatten könne nicht angerechnet werden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14.04.2005 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Antragstellerin habe einen Gesamtbedarf von monatlich 443,16 €. Das Einkommen des Ehegatten der Antragstellerin betrage 970,45 € monatlich. Als eigener Bedarf des Ehegatten seien 524,16 € monatlich (298,00 € Regelleistung, 145,16 € hälftige Unterkunftskosten, 51,00 € Mehrbedarf zum Lebensunterhalt als Inhaber eines Schwerbehindertenausweises mit dem Merkzeichen “G" und 30,00 € Versicherungspauschale) anzusetzen, so dass der Restbetrag aus dem Einkommen des Ehegatten der Antragstellerin in Höhe von 446,29 € sei bei dieser zu berücksichtigen sei. Dieser Betrag von 446,29 € übersteige den Gesamtbedarf der Antragstellerin von 443,16 €, so dass mangels Hilfebedürftigkeit von ihr ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nicht bestehe.

Hiergegen hat die Antragstellerin am 26.04.2005 unter dem Aktenzeichen S 6 AS 260/05 Klage erhoben und gleichzeitig die Durchführung eines Eilverfahrens unter dem Aktenzeichen S 6 AS 258/05 ER beantragt; Letzteres endete durch Antragsrücknahme vom 08.12.2005. Zur Begründung der Klage wies die Antragstellerin im Schriftsatz vom 27.04.2004 darauf hin, dass von der Altersrente ihres Ehegatten ein Betrag von 666,36 € monatlich anrechnungsfrei bleiben müsse.

Im Laufe des Gerichtsverfahrens hat die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 29.06.2005 den vom 04.12.2004 abgeändert und der Antragsgegnerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.01.2005 - 30.06.2005 in Höhe von 52,99 € bewilligt. Die Antragstellerin habe weiterhin einen Gesamtbedarf von monatlich 443,16 €. Das Einkommen des Ehegatten der Antragstellerin betrage 970,45 € und ab 01.04.2005 1.093,45 € monatlich. Als eigener Bedarf des Ehegatten seien jedoch nunmehr 580,29 € monatlich (298,00 € Regelleistung, 145,16 € hälftige Unterkunftskosten, 56,00 € Mehrbedarf zum Lebensunterhalt als Inhaber eines Schwerbehindertenausweises mit dem Merkzeichen “G", 51,13 € Mehrbedarf zum Lebensunterhalt für kostenaufwendige Ernährung und 30,00 € Versicherungspauschale) anzusetzen, so dass der Restbetrag aus dem Einkommen des Ehegatten der Antragstellerin in Höhe von 390,16 € für den Zeitraum vom 01.01.-31.03.2006 bzw. 513,16 € für den vom 01.04.-30.06.2005 bei dieser zu berücksichtigen sei.

Mit Urteil vom 08.12.2005, den Parteien in vollständig abgefasster Ausfertigung am 27.01. bzw. 03.02.2006 zugestellt, hat die 6. Kammer des Sozialgerichts auf entsprechenden Antrag der Antragstellerin die Antragsgegnerin verurteilt, in Abänderung der streitigen Bescheide den Arbeitslosengeld II-Anspruch der Antragstellerin mit der Maßgabe zu berechnen, dass aus dem Einkommen des Ehegatten...

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