Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Mietkautionsdarlehen. Sollvorschrift des § 22 Abs 6 S 3 SGB 2. Soforttilgung aus Regelbedarf. Verfassungsmäßigkeit der Aufrechnungsregelung. Möglichkeit des Erlasses des Rückzahlungsanspruchs

 

Leitsatz (amtlich)

1. Abweichend von § 22 Abs 6 S 3 SGB 2 kommt die Gewährung von Leistungen zur Deckung eines Bedarfs zur Begleichung einer Mietkaution als Zuschuss nur beim Vorliegen eines atypischen Falls in Betracht; ein solcher folgt nicht bereits aus der bloßen auf § 42a Abs 2 SGB 2 basierenden Kürzung des Regelbedarfs über einen längeren Zeitraum, weil es sich insoweit um eine zwingende Rechtsfolge der Darlehensgewährung und somit um den gesetzlichen Regelfall handelt.

2. Die Regelung des § 42a Abs 2 SGB 2 ist verfassungskonform. Im Falle einer außerordentlich langen Kürzung des Regelbedarfs nach § 42a Abs 2 SGB 2 ist einer verfassungswidrigen Bedarfsunterdeckung durch den Erlass des Rückzahlungsanspruch gem § 44 SGB 2 entgegenzuwirken, der indes gesondert zu beantragen ist.

 

Orientierungssatz

Az beim LSG Berlin: L 18 AS 1141/13.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Verrechnung eines Mietkautionsdarlehens mit dem laufenden Regelbedarf.

Der im Jahr 1967 geborene Kläger stand im Jahr 2012 zunächst im Bezug von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bei dem Jobcenter Dahme-Spreewald.

Auf seinen Leistungsantrag beim Beklagten am 19. April 2012 bewilligten ihm dieser mit Bescheid vom 11. Mai 2012 Leistungen für den Zeitraum Mai bis Oktober 2012 in Höhe von monatlich insgesamt 374,- € (Regelleistung).

Ab dem 1. Mai 2012 bewohnte der Kläger im Rahmen eines betreuten Gruppenwohnens ein Zimmer in der D. Str. in Berlin, zu einer Bruttowarmmiete von 320,- € (Nettokaltmiete 209,20 €, Betriebskosten 50,68 € und Heizkosten 60,12 €), wobei die Warmwasserbereitung in den der Mitnutzung unterliegenden Räumen mit einem Durchlauferhitzer erfolgt. Ausweislich des Mietvertrags fiel eine Mietkaution von 400,- € an. Mit Änderungsbescheid vom 1. Juni 2012 bewilligte der Beklagte dem Kläger für die Monate Mai bis Oktober 2012 Leistungen in Höhe von monatlich 702,60 € (Regelbedarf 374,- €, Mehrbedarf bei dezentraler Warmwasserbereitung in Höhe von 8,60 € und Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe von 320,- €).

Auf Antrag des Klägers bewilligte ihm der Beklagte mit Bescheid vom 14. Juni 2012 ein Mietkautionsdarlehen in Höhe von 400,- €, welches am gleichen Tag zur Auszahlung direkt auf das Konto des Vermieters angewiesen wurde, und sprach insoweit eine monatliche Aufrechnung in Höhe von 10 % des Regelbedarfs ab dem 1. Juli 2012 aus.

Den Widerspruch des Klägers vom 29. Juni 2012 gegen die Aufrechnungsverfügung im Bescheid vom 14. Juni 2012 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9. Juli 2012 (W 3100/12) als unbegründet zurück und bezog sich insoweit auf die gesetzliche Regelung des § 42a Abs. 2 Satz 1 und 2 sowie Abs. 3 Satz 1 2.Alt. SGB II.

Ab Juli 2012 wurde von den dem Kläger zu gewährenden Leistungen ein monatlicher Betrag von 37,40 € im Rahmen der Aufrechnung einbehalten. Mit Bescheid vom 24. September 2012 bewilligte der Beklagte dem Kläger unter anderem für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2012 erneut monatliche Leistungen in Höhe von 702,60 €; mit Änderungsbescheid vom 24. November 2012 weitere Leistungen für den Zeitraum Januar bis April 2013 in Höhe von 710,60 € (Regelbedarf 382,- €, Mehrbedarf bei dezentraler Warmwasserbereitung in Höhe von 8,60 € und Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe von 320,- €). Diese Bescheide wiesen als Auszahlungsempfänger hinsichtlich eines Betrags von 37,40 € “BA-SH/Zentralkasse„ wegen “Aufrechnung/Tilgung„ aus.

Mit seiner bereits zuvor am 10. August 2012 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren, die Aufhebung der Aufrechnung, weiter. Er hält die Regelung des § 42a SGB II für verfassungswidrig und führt insoweit aus, dass eine 10-prozentige Aufrechnung erst nach mehreren Monaten oder Jahren zu einer vollständigen Tilgung des Darlehens führen würden, was zur Folge habe, dass Ansparungen zur Deckung unregelmäßig anfallenden Bedarfe kaum noch möglich sein, was wiederum zu einer längerfristigen und damit verfassungswidrigen Unterdeckung führen würde. Der Beklagte habe insoweit den ihm verbliebenen Ermessenspielraum aus § 22 Abs. 6 SGB II zu nutzen und die Mietkaution in anderer Form, aber nicht als Darlehen, zur Verfügung zu stellen.

Der Kläger beantragt

1. den Bescheid des Beklagten vom 14. Juni 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Juli 2012 aufzuheben,

2. den Beklagten zu verpflichten, ihm vom 1. Juli 2012 an Leistungen zum Lebensunterhalt ohne Verrechnung eines monatlichen Betrages von 37,40 € zur Tilgung des Darlehens für die Mietkaution zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klag...

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